Wer vor den Zeiten des Internets abends durch die Sendlinger Straße in München ging und am Redaktionsgebäude der Süddeutschen Zeitung Halt machte, war früher informiert als der normale Zeitungsleser. Denn hier hing in Schaukästen die druckfrische Ausgabe des nächsten Tages aus. Ansonsten aber war das Areal unzugänglich. Diese „Verbotene Stadt“ ist nach dem Umzug der SZ in ein
Hochhaus an den Ostrand Münchens im Jahre 2008 unter dem Namen
Hofstatt-Areal entwickelt und Ende 2013 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Der Entwurf dafür stammt von
Meili, Peter Architekten (München).
Der Ausdruck „Stadt“ ist nicht übertrieben, denn es handelt es sich um ein komplexes Areal, und entsprechend vielschichtig war die Aufgabe. Die gewachsene Struktur, die städtebauliche Lage im Herzen der Münchner Innenstadt, der Denkmalschutz – all das war mit dem Ehrgeiz der Architekten, eigenständige Gebäude für gänzlich neue Nutzungen zu entwerfen, zu vereinen. Aus den ehemaligen Redaktions- und Druckereigebäuden ist ein mischgenutztes Ensemble mit Wohnungen, Einzelhandel und Büros entstanden.
Überschattet wird das ganze Projekt jedoch durch den frevelhaften Abriss des „Schwarzen Hauses“, des Verwaltungsgebäudes der Süddeutschen Verlags, errichtet 1962–65 von Detlev Schreiber, Herbert Groethuysen und Gernot Sachsse. Der Aluminium-Glasbau in der Mies-Nachfolge war den Investoren im Weg, und trotz erheblicher Proteste (und einem zu späten Interesse der Denkmalschutzbehörden) wurde das qualitätvolle und völlig intakte Gebäude am Färbergraben 2009 abgerissen.
Alle Gebäudeteile des Hofstatt-Areals sind auf bis zu drei Untergeschossen miteinander verbunden. Oberirdisch verbindet eine neue, öffentliche Passage, typisch für München, die Einzelgebäude. Sie bildet mit gegenläufig schwingenden Bändern – den Schaufenstern und einem Werbeband – eine dreiarmige organische Figur.
Das nach wie vor repräsentativste Gebäude ist das 1905 von Max Littmann erbaute ehemalige Redaktionsgebäude an der Sendlinger Straße. Das steinerne Haus mit seinen großen Bögen im Erdgeschoss und der sehr plastischen Fassade wurde renoviert und modernisiert. Vom 1. Untergeschoss bis zum 2. Obergeschoss sind Läden untergebracht, auf den darüber liegenden Etagen Büros.
Das ehemalige Druckereigebäude im Zentrum des Ensembles entstand 1926-29 als betonummantelter Stahlskelettbau, der an den Hauptfassaden verklinkert wurde. Alle umgebenden Gebäude orientieren sich bis heute an diesem Bau und bilden zusammen mit ihm verschiedene Höfe. Während des Umbaus wurden spätere Anbauten entfernt, der Bestand erneuert bzw. „ertüchtigt“ und der alte Technikaufbau durch eine neue, in der Kubatur angepasste Aufstockung ersetzt. Auch hier sind heute Geschäfte untergebracht, zu denen die Passage führt. In die Büroetagen gelangt man über historische Treppenhäuser.
Biegt man von der Sendlinger Straße links in den Färbergraben ein, zieht sich dort ein neues Büro- und Geschäftsgebäude entlang. Die Einzelbauten bilden durch Übereinstimmungen an der Keramikfassade „Geschwisterpaare“ und sind so optisch zusammengebunden. Mittig in der Flucht mündet einer der Passagenarme.
An der Rückseite des Areals ist ein Wohnhaus mit vier bis sechs Geschossen entstanden. Die Gebäudeteile unterscheiden sich durch leicht abgestufte Putzfarben und -strukturen. Bei den 56 Wohnungen achteten die Architekten darauf, trotz der dichten Innenstadtlage über Lufträume eine gute Belichtung zu ermöglichen. Die Maisonette-Wohnungen bilden im Erdgeschoss mit sogenannten „Cages“ eine Übergangszone zwischen öffentlichem und privatem Bereich. Die überwiegend zweigeschossigen Wohnungen der oberen Etagen sind über Stichflure erreichbar und über wie unter diesen durchgesteckt.
Wieder links um die Ecke gebogen steht an der Hackerstraße ein Gebäude von 1893 (Architekt: Josef Wölker), das seine ursprüngliche Nutzungsmischung aus Wohnen und Gewerbe zurückerhalten hat. Hofseitig wurde der Altbau um ein Glasregal mit Wohnungen ergänzt; das Haus wir so seiner historischen Struktur als auch heutigen Ansprüche gerecht.
Zurück in der Sendlinger Straße endet der Rundgang vor einem Neubau links des Redaktionsgebäudes, wo früher die Abendzeitung ihre Räume hatte. Hier liegt heute der Hauptzugang der Passage. Die Werksteinfassade nimmt die Plastizität des alten SZ-Baus auf. Zusammen mit zwei Einzeldenkmälern bildet das Haus einen ruhigen Innenhof. – Wo man früher die Zeitungslektüre den Schaukästen entnehmen konnte, nimmt man sich heute das Blatt besser mit, taucht über die Passage ins Innere des Blocks und setzt sich dort ins Café.
(cg)
Fotos: Michael Heinrich, Simone Rosenberg, Rainer Viertlböck
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michael haag | 03.04.2014 07:11 UhrRundgang
Danke liebes Baunetz für diesen scharfsinnig geschriebenen und gut bebilederten Rundgang.
Ich vermute die Architekten können nichts für den frevelhaften Abriss, aber um so mehr sollte und muss man dafür die Stadt, die Investoren und vor allem die Denkmalbehörden nachträglich zur Verantwortung ziehen (auch wenn es nichts mehr bringt, leider). Ich verstehe einfach nicht, wie es zu so "einem zu späten Interesse der Denkmalschutzbehörden" kommen kann, wo doch auf den Ämtern sonst alles so penibel und von oft zu langer Hand geplant ist!
Die Gebäude sehr sensibel, die Wohnungsgrundrisse mutig, nur bei den bedruckten Glasfassaden würde ich gerne in etwa fünf bis zehn Jahren von Ihnen noch mal einen Rundgang inklusive Bildern sehen...