Schaut man heute auf die Bauprojekte aus einem Düsseldorf der 1960er Jahre, dann ist das wie der Retro-Ritt in eine Zukunft, die sich rund ums Automobil abspielen sollte: Zu der Zeit entstand eine 530 Meter lange innerstädtische Autohochstraße, die wegen ihres tief ausgewölbten Spannbetonbauchs auf schmalen Stützen als Tausendfüßler in den Volksmund einging, oder der erste Drive-In-Bankschalter Deutschlands. Letzterer ist nur ein kleines, aber ziemlich Düsseldorferisches Feature der ehemaligen Zentrale der Commerzbank. Der von Paul Schneider-Esleben geplante Turm ergänzte seinerzeit den Stammsitz des Bankhauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite, mit dem er über eine heute noch bestehende gläserne Brücke verbunden ist. 1998 wurde das Gebäude mit seiner einst innovativen Vorhangfassade aus vorgefertigten, eloxierten Aluminiumpaneelen und gerundeten Fensteröffnungen unter Denkmalschutz gestellt. Die Commerzbank aber ist längst ausgezogen, mittlerweile wird es als Hotel genutzt. HPP Architekten (Düsseldorf) haben den stadtbildprägenden silbernen Turm saniert und entsprechend der neuen Nutzung umgebaut.
Im Auftrag des Projektentwicklers Hines (Berlin) richteten HPP für die Hotelgruppe Ruby auf den 13 Geschossen des Bankturms 206 Zimmer, ein Foyer- und Barbereich im Erdgeschoss sowie eine Dachterrasse ein. Den Drive-In-Bankschalter und die umliegenden Verkehrsflächen fürs Auto, weswegen Paul Schneider-Esleben die klar gegliederte Vorhangfassade ursprünglich auf Straßenebene aussetzten ließ und damit das kraftvolle Sichtbeton-Tragwerk freilegte, gibt es hingegen nicht mehr. Stattdessen ist der eindrucksvolle Betonfuß des Hochhauses von der Straße durch eine vollverglaste Außenhülle sichtbar. Wo einst Autos vorfuhren, befindet sich nun die Lobby und der Gastronomiebereich des Hotels.
HPP Architekten führen als Nachfolger von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg, die in den 1960er Jahren mit dem Dreischeibenhaus in Düsseldorf oder dem Finnlandhaus in Hamburg selber die westdeutsche Nachkriegsmoderne mitprägten, eine Bürotradition fort und setzen sich mit dieser Sanierung auch für eine ambivalent wahrgenommene Architektur ein. In Abstimmung mit dem Denkmalschutz erneuerten sie die Fassade, dabei ließen sie die bauzeitlichen Aluminiumtafeln demontieren, aufarbeiten und in neue Fassadenelemente einbauen. Unter Einhaltung heutiger Standards an Energieeffizienz und Nutzerkomfort konnte die historische Erscheinung erhalten bleiben. Anders als beim Tausendfüßler. Trotz ihres Status' als technisches Denkmal wurde die 1961-62 nach Plänen von Friedrich Tramms errichtete Hochstraße nämlich 2013 abgerissen. Heute stellt man sich die Zukunft Düsseldorfs eben nicht mehr so autozentriert vor. (sj)
Fotos: Ralph Richter
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
3
XVM | 21.10.2021 21:37 UhrArggh, wie schade!
Dieses Gerümpel ist ja unerträglich!
Eine gute Architektur wird dann durch so eine Masse an zusammengewürfelten Retrokitsch verschlechtert.
Weniger und dafür elegantere Möbel und der Eindruck wäre erheblich wertiger geworden.