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30.11.2011
Gespenst in der Skyline
Hochhaus von OMA in London fertig
Pünktlich zur Systemkrise der Weltwirtschaft wird in London das neue Hauptquartier der internationalen Investmentbank Rothschild von OMA fertig. Für den Entwurf hatte sich die Bankiersfamilie der Rothschilds nach einem beschränkten Wettbewerb 2006 entschieden (siehe BauNetz-Meldung). Aus den ursprünglich 13.000 Quadratmetern sind jetzt allerdings 21.000 geworden. Das 75 Meter hohe Gebäude steht im Londoner Finanzdistrikt in der St. Swithin's Lane, einer besonders engen Gasse des alten London unweit von St. Paul's Cathedral und Norman Fosters „Gurke“.
„New Court“ heißt der Turm, und OMA beschreiben ihn wegen des viereckigen Grundrisses als einen Würfel mit offenen Bürogrundrissen, der allerdings auf den unteren Etagen mit vier angrenzenden Gebäuden verschränkt wird, in denen die Nebenräume für Erschließung, Empfang, Restaurant oder Fitness untergebracht sind. Die Pläne dürfen leider nicht veröffentlicht werden.
Mit 75 Metern ist das Gebäude zwar hoch, aber die Fassade aus Stahl und abgedunkeltem Glas lassen es tatsächlich eher bescheiden als protzig wirken. Es ist insofern keine Neuauflage pompöser, wuchtiger Bankgebäude des 19. oder 20. Jahrhunderts. Der Architekturkritiker Rowan Moore beschreibt es für den Observer sogar so: „OMAs weißlicher Turm hat sich wie ein Gespenst und mit einem überraschenden Maß an Diskretion in die Londoner Skyline geschlichen.“
Der Umgang mit dem öffentlichen Raum ist, wie es sich für ein niederländisches Büro gehört, sensibel. Das Gebäude wurde auf Stelzen gestellt, die den Bürgersteig in der engen Gasse zu einer Kolonnade weiten – anders als etwa in der Berliner Friedrichstraße stellen sich die Kolonnaden aber nicht auf den Gehweg, sondern bleiben in der Flucht der umliegenden Gebäude. Zusätzlich wird durch das beidseitig verglaste Foyer eine Sichtverbindung zur Kirche St. Stephen Walbrook geschaffen, die hinter dem Gebäude liegt. Für den normalsterblichen Passanten wird der Weg durch die Sicherheitsschleusen zwar verschlossen bleiben, aber, so Moore im Observer, „das ist immer noch mehr als die meisten undurchsichtigen Stadtblöcke in der Umgebung anzubieten haben.“
Opulent wird es höchstens in den oberen Geschossen, die weitgehend der Chefetage vorbehalten sind. Hier wiederholt OMA die Geste des Aufständerns und hebt den Sky Pavilion eine Etage in die Höhe. Durch eine leichte Verschiebung dieser oberen Etagen ist eine Terrasse entstanden, auf der ein Sky Garden mit einem spektakulären Panorama der Londoner Innenstadt angelegt wurde. In dem aufgeständerten „Pavillon“ finden sich zwei Etagen mit doppelter Raumhöhe, die den Kunden- und Besprechungsräumen der Chefetage vorbehalten sind. Bei aller äußeren Bescheidenheit ist dies wohl eine Art Olymp der Bankenwelt.
Und hier oben erst erlaubt sich OMA ein wenig niederländische Ironie: Denn in den Besprechungsräumen, die sonst von feinen Aluminiumprofilen und großen Glasscheiben geprägt werden, hängen in schweren Goldrahmen alte Ölporträts wohlhabender Menschen, an anderer Stelle wurden die Gemäldemotive direkt auf die Wände der Besprechungsräume reproduziert. Für die Rothschild Bank, die gerne auf ihre 200 Jahre alte Tradition verweist, ergibt sich so die Möglichkeit, sich selbstironisch, gebildet, traditionsbewusst und modern gleichzeitig zu präsentieren. Und für den Architekten ergibt sich die Möglichkeit, eine gewisse ironische Distanz zu seinem Auftrag zu gewinnen – allerdings eher als Hofnarr der Mächtigen, der diese zwar amüsant kritisiert, aber sie doch nicht ernsthaft in Frage stellt. Sonst verlöre er wohl seinen Kopf. (Florian Heilmeyer)
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