Im Juni 2021 verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und definierten das Ziel, bis 2030 solle in der EU niemand mehr auf der Straße leben müssen. Die Dringlichkeit des Problems zeigte jüngst auch die Ausstellung „Who’s next“ des Architekturmuseums der TU München sehr anschaulich, zu der Baunetzwoche#591 erschienen ist. Anfang des Jahres stellten Hild und K Architekten (München, Berlin) ihre durch das Münchener Baureferat beauftragte Planung für den Übernachtungsschutz Lotte-Branz-Straße vor – ein Haus mit rund 800 Schlafplätzen für obdachlose Männer, Frauen und Kinder, der 2024 bezugsfertig sein soll. Baubeginn war im März.
Seit 2012 war der Münchener Übernachtungsschutz behelfsmäßig in einem Gebäude der ehemaligen Bayernkaserne im Norden der Stadt untergebracht. Die Umwandlung dieses Areals zum Stadtteil Neufreimann ermöglichte 2021 endlich die Planung eines angemessenen Neubaus. Dieser soll neue Standards setzen und die Hilfsangebote der Einrichtung verbessern. Als „ein deutliches humanitäres Signal für eine soziale Stadt“ bezeichnete Sozialreferentin Dorothee Schiwy das Projekt, das laut Süddeutscher Zeitung mit Kosten im zweistelligen Millionenbereich veranschlagt ist.
Den Architekt*innen ist es wichtig, diesen neuen Ort für besonders benachteiligte Menschen auch als einen Ort des Erlebens und gesellschaftlichen Zusammenlebens zu begreifen, der – jenseits üblicher Container-Monotonie – auch eine ästhetische Würde besitzt. Neu ist die Unterbringung in Vier-Bett-Zimmern, die für Familien auch zusammenlegbar sind, anstatt wie bisher in deutlich größeren Raumeinheiten. Auch das Angebot geht in Zukunft über die nur nächtliche Unterbringung hinaus und bietet neben einem Tagestreff auch Räume für Beratung und medizinische Versorgung. Außerdem soll eine medizinische Einrichtung für die Erstuntersuchungen von Asylsuchenden errichtet werden.
Typologisch lehnt sich der Entwurf an Theodor Fischers Ledigenheim in der Bergmannstraße im Westend an, der 1927 im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet wurde. Dessen kammartige Struktur wird im Neubau so interpretiert, dass in den einzelnen Trakten die getrennte Unterbringung von Männern, Frauen und Familien erfolgt. Gleichzeitig entstehen dadurch unterschiedliche Freibereiche und Höfe.
Die Architekt*innen verweisen auch auf den positiven städtebaulichen Impuls, den Fischers Männerwohnheim damals für das industriell geprägte Viertel Westend auslöste. Von der neuen Einrichtung wünschen sie sich eine ähnliche Entwicklung im umgebenden Gewerbegebiet – vielleicht als erster Baustein in einem neu entstehenden Stadtgefüge. (uav)
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Peter2.0 | 02.05.2022 14:05 UhrFischer
Ob die Ähnlichkeiten mit dem Ledigenheim vom alten Fischer bloßer Zufallend?
Ich glaube es nicht.