Es ist die große Frage dieser Tage, die über den aktuellen Lockerungen schwebt: Kommt die zweite Welle? Und wird sie – ähnlich wie bei der Spanischen Grippe vor 100 Jahren – schlimmer verlaufen als die erste Infektionswelle, die mittlerweile zu einem guten Stück überstanden scheint? Sollte es so weit kommen, dann dürfte zumindest Berlin ganz gut vorbereitet sein. Denn am Montag wurde dort das temporäre Corona-Behandlungszentrum auf dem Messegelände eröffnet, das exakt 488 Betten bietet und von dem jeder hofft, dass es eine dieser Architekturen sein wird, die nie genutzt werden müssen.
Verantwortlich für den Einbau in Halle 26 der Messe sind die Krankenhausspezialisten des Berliner Büros Heinle, Wischer und Partner. Betrieben wird das Behandlungszentrum durch Berlins kommunalen Krankenhausbetreiber Vivantes. Nach dem Senatsbeschluss Mitte März, das Zentrum aufzubauen, sprach die Vivantes GmbH direkt die Architekt*innen an, mit denen sie in der Vergangenheit bereits gemeinsame Projekte verwirklicht hatte. Dass das Büro über ein eingespieltes Team mit allen nötigen Fachplaner*innen verfügt, war ein wesentlicher Grund dafür, dass zwischen der Konzeptvorstellung und der Fertigstellung nur knapp zwei Monate lagen.
Das Format „Behandlungszentrum“ ist eine baurechtlich neue Kategorie, das sich zwischen regulärem Krankenhaus und Feldlazarett bewegt. Realisiert wurde das Zentrum im Rahmen eines Anzeigeverfahrens im zivilen Katastrophenschutz, was die Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigte. Das Budget für die Baukosten lag bei 31,25 Millionen Euro, für die medizinische Ausstattung bei 25 Millionen Euro. Getragen werden die Kosten allein durch das Land Berlin.
Das Projekt ist organisatorisch klar zweigeteilt. Innerhalb der Messehalle befindet sich der infektiöse Bereich mit 23 Clustern mit je 24 beziehungsweise 16 Betten sowie allen notwendigen dienenden Räumen. Außerhalb der Halle liegt ein dreigeschossiger Baukörper, der komplett aus Containern besteht und Logistik, Umkleiden und Personalräume umfasst. Über Brücken und Schleusen im zweiten Obergeschoss gelangen Ärzt*innen und Pfleger*innen in die Halle.
Das temporäre Behandlungszentrum liegt nicht nur auf einem Messegelände, es folgt auch in seiner Konstruktion über weite Strecken der Logik des Messebaus und wurde durch entsprechende Firmen realisiert. 58 Prozent der verbauten Materialien sind gemietet, darunter die Container, Stellwände sowie die über drei Kilometer Traversen, über die die gesamte Haustechnik geführt wurde. Das medizinische Mobiliar und die Geräte sollen nach ihrem potenziellen Einsatz auf verschiedene Krankenhäuser verteilt werden.
Die auffälligste ästhetische Entscheidung der Architekt*innen ist die Farbe des Linoleumbodens – sie informiert zugleich über den Fortschritt der Lungenerkrankung. Im Bereich der Allgemeinpflege, wo jeweils 24 Betten in einem Cluster liegen, wurde grüner Boden verlegt. In den Clustern mit nur 16 Betten, in denen die schwer Erkrankten künstlich beatmet werden, findet man blaue Böden. Wer im grünen Bereich liegt, dessen Gesundheit ist also im grünen Bereich. Selten dürfte Blau mehr Furcht hervorgerufen haben als hier. Aktuell läuft ein Mietvertrag mit der Messe über ein halbes Jahr. Hoffen wir darauf, dass das Behandlungszentrum ungenutzt bleibt und danach sang- und klanglos abgebaut werden kann. (gh)
Fotos: Nordsonne Identity, Christian von Polentz / transitfoto.de
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