Dass Kinder im Spiel die Welt erfahren, ist zunächst eine Binsenweisheit. Die Frage lautet eher, was für eine Welt sich im Spiel vermittelt. Und angesichts einer globalen Spielzeugindustrie à la Barbie & Co., aber auch mit Blick auf eine lange Tradition des indoktrinären Spiels mit Zinnsoldaten und Ähnlichem wird schnell klar, dass Spielen durchaus problematische Dimensionen haben kann. Kein Wunder also, dass Anfang der 1970er Jahre eine Arbeitsgruppe der Berliner neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) auf die Idee kam, eine „kapitalismuskritische Spielform für und mit Kindern der Arbeiterklasse“ zu entwickeln. Als Resultat entstand mit dem „Spielklub“ in der Kulmer Straße in Schöneberg nicht weniger als eine kleine Stadt mit Häusern und Institutionen von einer Bar über einen Baustoffhandel bis hin zur Gelddruckerei. Hier sollten die „Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens“ erfahrbar und damit durchschaubar werden. Auch hier wurde also nicht gerade ideologiefrei gespielt, aber das war den Kindern vermutlich egal, so lange der Spaß nicht zu kurz kam.
Die ungewöhnliche Episode wäre wohl längst in Vergessenheit geraten, hätte die nGbK die Idee des Spielklubs nicht 2019 noch einmal neu interpretiert. Auch diesmal stand die Stadt im Fokus, und Schulklassen kamen zur spielerischen Auseinandersetzung in den neuen Club in die damaligen Räume des Kunstvereins in die Oranienstraße. Nun ist mit Ausgabe 10 der Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt (Print: berlinerhefte.de, E-Book: Eeclectic) eine Dokumentation dieses Projekts entstanden. Darin wird insbesondere auch die Historie des ursprünglichen Spielklubs und seine spannende Ideengeschichte nacherzählt. Denn schon in den 1920ern gab es beispielsweise selbstverwaltete Kinderrepubliken, die Kindern im Sinne einer lebendigen Demokratievermittlung erstaunliche Freiheitsgrade gewährten.
Am morgigen Dienstag, 6. Februar 2024 wird das Heft in den noch immer neuen Räumen der nGbK am Alexanderplatz (Umbau: Hütten & Paläste) vorgestellt. Mit dabei sind die Herausgeber*innen Claudia Hummel, Valeria Fahrenkrog und Katharina von Hagenow, die Autorinnen Vivian Chan und Heather Purcell sowie Joerg Franzbecker von den Berliner Heften.
Termin: Dienstag, 6. Februar 2024, 18.30 Uhr
Ort: nGbK am Alex, Karl-Liebknecht-Str. 11/13, 10178 Berlin
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