Das enge Verhältnis von Automobilität und Moderne ist bekannt, von Le Corbusiers inszenierten Fotografien über die Citroën DS der Smithsons bis hin zu Mies van der Rohes Pavillon in Barcelona, der noch immer regelmäßig als Kulisse für Autowerbung genutzt wird. Um gar nicht erst anzufangen von der Bedeutung des Autos für den modernen Städtebau. Der französische Automobilkonzern Renault verfügt wiederum über ein wohldokumentiertes Interesse am Verhältnis von Architektur und Verkehrswesen, so gesehen liegt es nahe, dass der Konzern nun auch selbst eine Hausstudie errichtet hat. Die stammt vom Pariser Büro Marchi Architectes, die mit ihrem Konzept im letzten Jahr einen Wettbewerb gewinnen konnten. Zu sehen war das Projekt, das die räumlichen Synergieeffekte zwischen Architektur und Automobil erkundet, als Messestand auf der diesjährigen Automobilmesse IAA in Frankfurt am Main. Ähnlich mobil wie der dazugehörige Concept Car hat es das temporäre Haus inzwischen in die freie Wildbahn geschafft – wohin genau ist allerdings nicht bekannt.
Ausgangspunkt des Konzepts war die Frage, wie sich der Raum, den ein Auto braucht, auch dann nutzen lässt, wenn das kompakte Gehäuse – wie so oft – gerade mal nicht der Fortbewegung dient. Der beliebten Vorstellung vom vierrädrigen Kraftfahrzeug als mobilem Wohnzimmer wird dabei neues Leben eingehaucht, denn in Marchis Vision dient das Auto als ganz nach Belieben und Bedarf flexibel nutzbarer Zusatzraum. Das zweigeschossige Glashaus der Architekten, das im Imagefilm als ländlicher Rückzugsort inszeniert ist, wurde dafür mit einer Hebebühne ausgestattet, mit der der Wagen aufs Dach geschafft werden kann. Essen und Wohnen würde man im Erdgeschoss, während im Obergeschoss ein offener Schlafbereich zur Verfügung steht. In Abwesenheit des Autos kann natürlich in beiden Geschossen die Fläche der Bühne ebenfalls genutzt werden – wenn man denn über den möglicherweise zurückgebliebenen Schmutz der Straße hinwegsehen kann.
Die Schmutzproblematik führt dabei nur am offensichtlichsten die Grenzen dieses Konzepts vor, zu denen nicht zuletzt auch der vergleichsweise große Aufwand des vertikalen Fahrzeugtransports gehört. Trotzdem verfügt das Projekt über Aspekte, die auf den zweiten Blick durchaus Sinn machen. Eine Prämisse ist, dass es sich bei dem Concept Car natürlich um ein selbstfahrendes Elektroauto handelt, dessen Innenraum mit drehbaren Sitzen einer kompakten Lounge gleicht. Im Vergleich zu heutigen Autos dürfte dieser Raum also tatsächlich flexibel nutzbar sein, was Marchi Architectes in ihrer Presseerklärung geschickt mit einem weiteren Aspekt der Fahrzeugkonstruktion zu einem weniger offensichtlichen Nutzungsszenario kombinieren. In ihrer Vision verwandelt sich das Auto nämlich dank der ohnehin notwendigen Geräuschdämmung der Fahrgastzelle in einen Ruhe- oder auch Lärmraum, der im offenen Pavillon etwas Abstand zum übrigen Geschehen erlaubt. Die Mutter kann hier etwas Arbeiten, die Tochter mit Freunden laut Musik hören oder die Eltern abends auf dem Dach im leise rieselnden Schnee eine romantische Stunde verbringen – so schön denkt sich das jedenfalls Renault. (sb)
Fotos: Fernando Guerra
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so ein archi | 10.10.2017 15:53 Uhrdas muss die Zukunft sein
Wäre mir ja etwas zu viel Glas, so als Masturbatorium für Autonarren, aber was weiß ich schon...