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13.09.2024

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Buchtipp: Großstädtische Moderne

Hans und Wassili Luckhardt. Bauten und Projekte


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Bis heute stehen die Brüder Luckhardt im Schatten ihrer prominenten Kollegen. Da die Bekanntheit von Hans (1890–1954) und Wassili Luckhardt (1889–1972) weit hinter der ihrer Zeitgenossen Mies van der Rohe, Walter Gropius oder Bruno Taut zurückgeblieben ist, dürften nur die Wenigsten mit dem Schaffen der beiden Berliner Architekten vertraut sein. Abseits der Berliner Wohnbauten Am Rupenhorn und dem Haus der Bremer Bürgerschaft kann ihr Oeuvre noch immer als Angelegenheit für Eingeweihte gelten.

Carsten Krohn und Michele Stavagna haben mit ihrem Buch Hans und Wassili Luckhardt. Bauten und Projekte nun einen neuen Überblick über das Werk der Architekten vorgelegt, der zugleich die Kontexte aufzeigt, in denen sich die Luckhardts seit der Weimarer Republik bewegten. Zunächst Mitglieder der expressionistischen Gläsernen Kette lösten sie sich schon bald von deren Begründer Bruno Taut. In Abkehr von der teils gotisierenden Formensprache expressionistischer Utopien wandten sie sich in den 1920er-Jahren dem Neuen Bauen zu. Während viele ihrer modernen Mitstreiter Siedlungen im Grünen planen, galt das Interesse der Luckhardts der großstädtischen Architektur.

Durch ihre Vorliebe für Stromlinienformen ebenso wie durch die architektonische Auseinandersetzung mit Straßenverkehr und Reklame sind die Luckhardts dabei ihrem Kollegen Erich Mendelsohn verbunden. Auch dieser galt, ungeachtet seines Erfolges, als Außenseiter unter den Architekten der Weimarer Republik. Ihm widmeten Krohn und Stavagna bereits vor drei Jahren ein Übersichtswerk.

Dem Aufbau dieser vorhergehenden Publikation – die Mendelsohns fortwährendes Bemühen um eine architektonische Synthese aufzeigt – folgt auch das Buch über die Luckhardts: Auf zwei einleitende Essays folgt ein Katalog der ausgeführten Bauten, in dem sich historische Aufnahmen durch Grundrisszeichnungen und neu angefertigte Bilder Krohns ergänzt finden. Dabei bleibt der Fotograf der Vorgehensweise treu, allein die ursprüngliche, durch die Architekten geplante Substanz zu dokumentieren.
 
Im Buch zu Mendelsohn wird anhand der großformatigen Farbaufnahmen die architektonische Vielgestalt des Oeuvres deutlich, wie sie den wechselnden Erfordernissen ganz verschiedener Wirkungsstätten geschuldet ist. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung sah sich der jüdischstämmige Mendelsohn gezwungen, Deutschland zu verlassen, um sein Leben nach Stationen in England und Palästina an der amerikanischen Westküste zu beschließen. Demgegenüber versuchten Hans und Wassili Luckhardt, sich mit dem neuen Regime zu arrangieren. Aus Opportunismus trennten sie sich nicht nur von ihrem jüdischen Partner Alfons Anker, sondern traten auch der NSDAP bei. Der Erfolg blieb trotzdem aus. Während der NS-Zeit verwirklichten die Luckhardts ausschließlich kleinere Wohnbauten wie das Haus Barth.

So deutlich die Moderne unter dem Satteldach von Haus Barth erkennbar bleibt, bestimmt der politische und architektonische Bruch auch den 1934 eingereichten Wettbewerbsbeitrag zu einem nationalsozialistischen Haus der Arbeit am Berliner Wannsee: Ein kristalliner Kultbau hätte nach Vorstellung der Luckhardts den Fixpunkt einer Thingstätte auf der Insel Schwanenwerder bilden sollen. Die Verwandtschaft zu den fantastischen Arbeiten aus den ersten Jahren der Weimarer Republik sind nicht zu übersehen. Vermuten lässt sich dahinter das Ansinnen, neben den Anforderungen der nationalsozialistischen Architekturpolitik auch die abweichenden eigenen Präferenzen zu befriedigen.

Entsprechende Kontraste zeichnen allerdings auch Luckhardt’sche Projekte aus, die vor 1933 entstanden oder nach 1945 entwickelt wurden. Schon die Inanspruchnahme mittelalterlicher Formen nach dem Ersten Weltkrieg bedeutete ebenso eine Absage an den wilhelminischen Mief, wie sie einen utopischen Neubeginn signalisierte.

Die Publikation von Krohn und Stavagna wirft demnach die Frage nach dem Geschichtsverständnis auf, das Hans und Wassili Luckhardt ihrer Arbeit zugrunde legten. So kündet noch die Klinkerfassade des hansestädtischen, 1966 eröffneten Parlamentsgebäudes von dem Versuch, an die historische Bebauung rings des Bremer Marktplatzes anzuknüpfen. Zugleich evoziert das Faltdach eine traditionelle Giebelreihe. Die gläsernen Fronten hingegen bezeugen das Wissen um eine Moderne, deren historischer Charakter zu dieser Zeit schon nicht mehr verkennbar war.

Text: Achim Reese

Hans und Wassili Luckhardt. Bauten und Projekte

Carsten Krohn und Michele Stavagna
Gestaltung: Annette Kussin
160 Seiten
Birkhäuser, Basel 2024
ISBN 978-3035627206
70 Euro

Das Buch ist auch auf Englisch erschienen.


Zum Thema:

Am kommenden Dienstag, 17. September 2024 um 19.30 Uhr stellen die Autoren ihr Buch im Bücherbogen am Savignyplatz (Stadtbahnbogen 593, 10623 Berlin) vor, um anschließend mit Architekturjournalist und -kritiker Ulf Meyer darüber zu sprechen.


 
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