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21.09.2022

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Buchtipp: Lernen von den Alten

Handbuch der Stadtbaukunst


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Christoph Mäckler – streitbarer Kämpfer für die Idee der „Europäischen Stadt“ und neben seiner langjährigen Tätigkeit als Architekt und Hochschullehrer Mitbegründer des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst – hat mit der Architektin Birgit Roth ein Städtebau-Handbuch herausgebracht. Ein Manual, ganz in der Tradition jener Handbücher von Camillo Sitte, Raymond Unwin oder Cornelius Gurlitt an der Schwelle zum 20. Jahrhundert – nur um Einiges umfangreicher. Die vier großformatigen Bände im Schuber umfassen 516 Seiten und bringen zusammen 4,6 Kilo auf die Waage.

Gegliedert ist das Handbuch für Stadtbaukunst. Anleitung zum Entwurf von städtischen Räumen entlang der elementaren Raumtypologie der Stadt: Hofräume, Platzräume, Straßenräume. Der einführende, mehr die Bandbreite städtischer Bebauungsstrukturen behandelnde Band 1 ist schlicht „Stadträume“ betitelt. In den übrigen werden 53 Plätze sowie je knapp 40 Straßen- und Hofräume in deutschen Städten vorgestellt – begleitet von Essays zum Thema, etwa von Werner Oechslin, Jan Pieper, Mirjam Schmidt oder Vittorio Magnago Lampugnani. Seinen Schwerpunkt legt das Werk auf historische Stadträume vom Spätmittelalter bis zur Gründerzeit. Hinzu kommen Planungen der klassischen Moderne und wenige zeitgenössische Projekte. Im Fokus stehen somit Idee und Leitbild der Europäischen Stadt.

Eine Stärke des Kompendiums liegt darin, wie es Stadträume unterschiedlicher Größe mehrdimensional fassbar macht. Zu Beginn werden in der „Anleitung zum Entwurf“ die Beispiele in der Zusammenschau vorgestellt, so dass die Größenverhältnisse vergleichbar werden. Anschließend wird heruntergezoomt auf den Maßstab 1 : 2.500 bis 1 : 1.000. Hier findet sich jedes Beispiel im Luftbild, in Schnitten und Grundrissen dargestellt; darin sind die visuell wirksamen Raumkanten und Bezugspunkte hervorgehoben. Die Unterweisung im städtebaulichen Entwerfen erfolgt also eher mittelbar, durch das exzellente Dokumentieren von aus Sicht der Verfasser*innen mustergültigen Beispielen.

Bei den Plätzen reicht das Spektrum vom fast intim dimensionierten Marktplatz im hessischen Fachwerkstädtchen Alsfeld über den kreisrunden Gärtnerplatz in München, den gründerzeitlich geprägten Chamissoplatz in Berlin-Kreuzberg hin zum monumentalen, um 1955 als Teil der Stalinallee entstandenen Straußberger Platz im damaligen Ost-Berlin. Die Bände „Platzräume“ und „Straßenräume“ erscheinen als stärkste Teile des Werks; nicht zuletzt, weil es noch immer zu wenig qualitätvolles Grundlagenmaterial zum Thema Straßenraum gibt.

In den knappen, die Beispiele erläuternden Texte gehen die Autoren analytisch vor. Sie stellen das jeweilige städtebauliche Ordnungssystem vor und benennen die spezifischen Faktoren der Raumwirkung eines jeden vorgestellten Platz- oder Straßenraums. Den roten Faden bildet dabei ein Kerngedanke: Gelungene Stadtgestaltung lebt von Raumdramaturgie. Auch eine enge Straße kann einladend sein, wenn sie gut gefasst ist. So kommt man der DNA lebenswerter, funktionierender Stadträume auf die Spur. Imponierend an dem Werk ist die Tiefe der begleitenden Informationen und die Sorgfalt bei der Zusammenstellung der Schnitte, Ansichten, Grundrisse. Für alle Menschen, die Städte lieben, ist es schlicht ein Vergnügen, sich in der Materialfülle dieses Atlas’ urbaner Räume zu verlieren.

Bleibt die Frage, ob das Werk, wie der Titel verspricht, auch als alltägliche Anregung zum Entwerfen hilfreich ist. Als eine befreundete Architektin in meinem Arbeitsraum auftauchte und die vier Bände auf dem Tisch liegen sah, klappte sie zielstrebig den Band „Straßenräume“ auf und vertiefte sich in die Beispiele; sie kämen wie gerufen als Anregung für ein Städtebau-Projekt. Vielleicht war das ja schon ein erster Praxis-Check des Nutzwertes.

Text: Frank Peter Jäger

Handbuch der Stadtbaukunst. Anleitung zum Entwurf von städtischen Räumen
Christoph Mäckler, Deutsches Institut für Stadtbaukunst
(Hg.)
4 Bände im Schuber
516 Seiten,
Jovis Verlag, Berlin 2022
ISBN 978-3-86859-746-2
128 Euro


 
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aus Band 1, Seite 25; Dresden Striesen, 19. Jh.

aus Band 1, Seite 25; Dresden Striesen, 19. Jh.

aus Band 1, Seite 29: Halle (Saale) Paulusviertel, 19. Jh.

aus Band 1, Seite 29: Halle (Saale) Paulusviertel, 19. Jh.

aus Band 2, Seite 24: Schulhof Berlin

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