Ein Spaziergang über den Campus der Universität Stuttgart hat das Zeug zur architekturgeschichtlichen Zeitreise. Unweit von Frei Ottos ILEK-Pavillon aus den 1960ern stehen die strengen Wohnheime und eine Mensa von Atelier 5 aus den 1970ern. In den 1980er Jahren zogen wildere Nachbarn an den Allmandring: Peter Hübner errichtete mit Studierenden die Selbstbau-Wohnanlage „Bauhäusle“, etwas später folgte Günter Behnischs „Hysolar“-Institut als Pionierbau des Dekonstruktivismus. Nun bringt ein Forschungsgebäude von
hammeskrause architekten (Stuttgart) gleich daneben ganz viel Ruhe in die Umgebung.
Das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie (ZAQuant) der Universität Stuttgart ist äußerlich ein homogener Quader, dem man sein futuristisches Innenleben nicht ansieht. Hinter der fein gegliederten, stellenweise großflächig verschlossenen Glas-Aluminium-Fassade findet Spitzenforschung im Bereich der Quantensensorik statt. Dabei sind die Anforderungen, die solche Arbeiten an ihre bauliche Umgebung stellen, enorm. Zwischen den vielfältigen Nutzungen sind kurze Wege und lebendiger Austausch erwünscht – zugleich müssen bestimmte Bereiche vollkommen störungsfrei bleiben. Im ZAQuant gibt es auf knapp 3.000 Quadratmetern Fläche für insgesamt 70 Mitarbeiter*innen Büros und Kommunikationsflächen, Reinräume, Laserlabore, physikalische, chemische und biochemische Labore, vor allem aber Präzisionsmesslabore, die im höchsten Maß gegen mechanische und elektrodynamische Störungen abgeschirmt sein müssen und zudem Temperaturstabilität, Klimakonstanz und Schallschutz gewährleisten.
Diesen sensiblen Bereich haben hammeskrause ins Zentrum ihres Gebäudes gestellt und die restlichen Nutzungen wie Schalen um diesen Kern herumgelegt – allerdings über eine durchgehende vertikale Bauteilfuge baulich komplett entkoppelt. In der zentralen dreigeschossigen Halle stehen vier Hochpräzisionsmessboxen. Die 150 Tonnen schweren Betonfundamente der zehn Meter hohen Boxen lagern auf jeweils sechs pneumatisch gesteuerten Luftfedern, um eine nahezu vollständige Schwingungsruhe für die Versuche zu erreichen.
Ein- und Durchblicke setzen die Architekten mit Fingerspitzengefühl, um im Haus für Tageslicht und Orientierung zu sorgen, aber auch um die normalerweise abgeschottete Forschungsarbeit zumindest ein bisschen sichtbar werden zu lassen. Die internen Flure rund um die Messlabor-Halle sind als Rundgang mit großen Bullaugen angelegt. Im obersten Geschoss belichtet ein eingeschnittener Innenhof die umliegenden Bereiche. Und der Reinraum öffnet sich mit einer raumhohen Verglasung zum Foyer, fotogen in gelbes Licht getaucht, um die Arbeitsbereiche vor störendem Tageslicht zu schützen.
(kv)Fotos: Brigida González, Wolf-Dieter Gericke
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