Anfang 2016 fiel der legendäre Golden Pudel Club am Hamburger Fischmarkt einem Brand zum Opfer. Nach einem langen Findungsprozess wurde er nun wieder aufgebaut. Kathrin Schömer war vor Ort.
Vor der Brandstiftung durch Unbekannt schwelte lange ein Streit zwischen den Grundstückseignern Rocko Schamoni und Wolf Richter, die Zwangsversteigerung stand bevor. Nach dem Feuer hat die Cassens-Stiftung die Anteile Richters erworben und dem Pudel-Kollektiv treuhändisch für gemeinnützige Zwecke übergeben. Allerdings fehlte den nicht-profitorientierten Betreibern Geld zum Neustart. Doch inzwischen war die Bedeutung der „Elbphilharmonie der Herzen“ längst nicht mehr nur dem Pudelpublikum klar. So steuerten die Stadt Hamburg 200.000 Euro und der Bezirk Altona 100.000 Euro zum Wiederaufbau bei, zudem lief eine Spendenaktion.
Die Planung des Wiederaufbaus übernahm das Hamburger Architekturbüro Thorsten Liehmann, der Entwurf stammt von Jesko Fezer (Berlin) mit Fynn-Morten Heyer und Oliver Schau. Fezers Klasse an der Hochschule für bildende Künste Hamburg – das Studio für experimentelles Design – gestaltete den Findungsprozess zusammen mit den Betreiber*innen – neben Schamoni sind dies Schorsch Kamerun, Charlotte Knothe und Viktor Marek. Die offene Aufteilung der Räume entlang des Holzstützenrasters, der Innenausbau mit unbehandelten Oberflächen und die zerstückelte, bunte Fassade stehen für den kontinuierlichen Aneignungsprozess, der das Projekt auszeichnet.
Apropos Aneignungsprozess: Die Improvisation war von Beginn an ein Faktor des lässigen Charmes der kreativen Zelle, quasi des Pudels Kern. Eine Alternative sollte er sein, ein ökonomisch unabhängiger Ort für Musik, Kunst, Performance, zum gemeinsamen Sich-Ausprobieren – und für grandioses Scheitern. Insofern ist der neue Pudel ein Triumph. Und wie eine Kampfansage kragen die drei steilen Sägezähne des kleinen Häuschens am touristenüberströmten Fischmarkt in die Höhe. Sie ruhen auf einer Stahlbetondecke – die wichtigste bauliche Entscheidung, um nach dem Brand schnell wieder handlungsfähig zu werden. Während Team, Freunde des Clubs und anliegende Initiativen wie park fiction derzeit noch beraten, was in den neuen Obergeschossen nun ungefähr passieren soll, wird unter der Platte schon wieder zum speziellen Pudelsoundtrack getrunken und gefeiert.
Im Obergeschoss liegt das Café Barboncino Zwölphi. Hinter der diagonalen Nut- und Federschalung findet sich eine Küche mit Tresen, in der während der Woche ein Team geflüchteter Frauen einen Mittagstisch vorbereitet, gegessen wird im mit Secondhand-Gastromöbeln bestückten Restaurantbereich und auf der Terrasse mit Hafenblick. Hier fehlt auf den ersten Eindruck noch der spezielle Geist des Pudels. Im besten Falle schafft dies aber die angedachte Außentreppe, die sich vom Clubhof zur Caféveranda hochschwingen soll. (kms)
Fotos: JR Wallner
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Davide | 07.10.2019 14:04 UhrCaptain Obvious
Was lernen wir aus Pudel und Paloma-Viertel?
Was in Beteiligungsprozessen entsteht muss am Ende kunterbunt aussehen, als hätte jeder seine eigenen 2m² Fassade gebastelt, damit auch ja offensichtlich bleibt, dass es demokratisch zuging.
Irgendwie symptomatisch für Beteiligungsprozesse in Deutschland, denen noch die Routine und politische Gelassenheit aller Beteiligten fehlt, die es in anderen Ländern längst gibt.