Man darf sie nicht zu sehr hinterfragen, denn jede einzelne dieser vielen Treppenskultpuren, die heute in Metropolen oder Landschaften herumstehen, ist eigentlich absurd. Ob der Eiffelturm in Paris oder Thomas Heatherwicks geplante, gigantische 2500-Stufen-Stiege in New York, beide führen doch einfach nur ins Nichts. Sie geben ein Ziel vor ohne ein Ziel zu haben! Niklas Maak gibt sich düster, wenn er nach einer Interpretation von Heatherwicks freistehendem Treppenhaus sucht und es als „angenagtes Gerüst“ beschreibt, von dem aus „man in diverse Abgründe schauen kann“.
Nicht um Abgründe, sondern um Aussichten geht es jedoch im westfälischen Hamm an der Schwelle zum Ruhrgebiet, wo das junge Büro Berghaus Architekten (Hamm) kürzlich ebenfalls eine freie Treppe fertiggestellt hat. Kein manieriertes A wie in Paris und kein Bienenstock wie in Manhatten, sondern eine simple, ja geradezu pure Wendeltreppe ist die Stahlkonstruktion. Die freistehende Spindel bildet einen markanten Punkt in einem neuen Landschaftspark, der bis vor kurzem noch eine Industriebrache war.
Signalhaft rot und weithin erkennbar die Topografie dominierend, ist die Treppe eines von insgesamt fünf Haldenzeichen im Lippepark Hamm. Es bietet, wie auch die genannten prominenten Beispiele, Passanten und Besuchern einen erhöhten Ausblick auf den Park. Über zwei Ebenen windet sich eine Rampe kreisförmig um die gebogenen Stahlstützen bis zum obersten Punkt, einer Plattform in sechseinhalb Metern Höhe.
Berghaus' Tragkonstruktion besteht aus gebogenen, vollverschweißten Kastenträgern. Die unteren Fußplatten sind ausgesteift und auf ein Betonfundament gedübelt. An den Kastenträgern brachte das Hammer Büro Kragarme an, von denen aus wiederum die doppelwandigen, innen ausgesteiften Blechrampen herauswachsen. Die von den Kastenträgern abgehenden Kragarme liegen als tragendes Element innerhalb des Hohlraums zwischen der oberen und unteren Blechabdeckung. Als Rampenwände sind spiralförmig gebogene Bleche installiert, deren oberer Anschluss als geschlitztes Rohr ausgeführt ist.
Das Haldenzeichen in Hamm zeigt, wie viele Projekte, die heute an die alten Orte der Montanindustrie erinnern, dass man nicht immer nach der funktionalen Bedeutung dieser absurden Treppengebilde suchen sollte, sondern, dass machmal allein die Freude am Ausblick und der Spaß an der Konstruktion ausreichend sind. Die konstruktive Umsetzung darf schließlich auch bei vielen weitaus berühmteren Treppengebilden als die eigentliche Leistung gelten. (sj)
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coqueiro | 18.01.2017 10:18 UhrBilder
Unglaublich ausdrucksstarke Bilder, Danke!