Es ist kein Zufall, dass das diesjährige „Haus des Jahres“ die „Mission des kostengünstigen Bauens und das gleichzeitige Konzept für innerstädtische Nachverdichtung“ repräsentiert. Gestern wurden die Preisträger des Wettbewerbs „Häuser des Jahres – die besten Einfamilienhäuser“ bekannt gegeben. Jurorin Katharina Matzig erkennt, dass mit der sich zuspitzenden Wohnungsmarktsituation in Großstädten auch Architekturschaffende vor drängenden Fragen stehen. Wenn trotzdem wieder Einfamilienhäuser aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol prämiert werden, dann will sie zumindest auf eine Aussage David Chipperfileds verweisen: „Nicht schlechter Geschmack ruiniert die Welt, sondern Architekten, die vergessen haben, dass sie als Berufsanfänger die Welt zu einem besseren Ort machen wollten.“
Inwieweit Gestaltung tatsächlich in der Lage ist, die Welt zu verbessern, darüber wird besonders im Wohnungsbau gestritten. Allein dieser Wettbewerb, der bereits zum siebten Mal vom Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architektur Museum ausgeschrieben wurde, wird diese grundsätzliche Frage nicht beantworten können. Dass sich das Thema Einfamilienhaus aber überhaupt dazu eignet, im urbanen Kontext zu verdichten, ist an sich schon überraschend.
Der einraumbreite Neubau des Einfamilien- und Atelierhauses ELLI in Zürich von Holzer Kobler Architekturen schafft Platz in der kleinsten Baulücke. Darüber hinaus überzeugte die Jury das Bild vom „Wohnen im Rohbau“, das durch „wohldurchdachte Details ergänzt“ wird: „Vorgefertigte Betonelemente bilden die Hülle des Gebäudes und prägen dessen architektonischen Ausdruck, der aus dem Anspruch der Kostenreduzierung entwickelt wurde.“ Hervorgehoben wurde auch die „geschickte Zusammenschaltbarkeit“ der Räume, die eine „hohe Nutzungsflexibilität“ ergibt. Neben diesem ersten Preis wurden drei Auszeichnungen und fünf Anerkennungen vergeben:
1. Preis:
Auszeichnungen:
- „Fenster zum See“ in Hechendorf/Seefeld von studioRAUCH, München
- „Zwei, drei, eins“ in Villanders von Pavol Mikolajcak, Bozen (I)
- „Haus, Halle und Hof“ in Dellmensingen von Jürgen Haller, Mellau (AUT)
Anerkennungen:- „Bücherstadel“ in Embach von LP architektur, Altenmarkt im Pongau (AUT)
- „Gartenhaus“ in Berlin-Zehlendorf von flachsbarth schultz, Berlin
- Objekt „Archetypus“ in Laterns von bernardo bader, Dornbirn (AUT)
- „Längsgestreift“ in Mering von EBERLE ARCHITEKTEN, Augsburg
- „Gebauter Dualismus“ in Riehen von Reuter Raeber Architekten, Basel (CH)
Die Häuser des Jahres sollen ja vor allem eins sein: „schön“. Da das „Wohnen im Rohbau“ gewiss nicht jeden Geschmack trifft, gehen die Auszeichnungen und Anerkennungen des Wettbewerbs an Häuser mit ganz unterschiedlichen ästhetischen Konzepten. Das „Fenster zum See“ ist fast so breit wie das ganze holzverkleidete Haus von
studioRauch in Hechendorf/Seefeld. Dieses kleine und monochrom graue Haus versteckt sich zur Hälfte in der Vegetation und richtet tritt durch das Fenster in Beziehung zum See.
Im Gegensatz dazu steht das Projekt von
Jürgen Haller selbstbewusst frei und raumgreifend in der Landschaft. Hier wird die vertikale Holzverkleidung durch schwarze, horizontale Bänder kontrastiert.
Pavol Mikolajcek gelang es mit seinem eingegrabenen Haus in Villanders, die Fernwirkung des historischen Bauernhausensemble unangetastet zu lassen. Erst auf den zweiten Blick wird sichtbar, dass auch dieser Neubau seine skulpturale Form expressiv zelebriert.
Mit dem
„Bücherstadel“ von
LP architektur erhielt ein weiteres reduziertes Holzhaus eine Anerkennung. Komplett weiß verputzt zeigt sich hingegen das
Wohnhaus von
Eberle Architekten in Mering.
Reuter Raeber Architekten konnten mit ihrem Haus in Riehen auch in diesem Wettbewerb eine Anerkennung gewinnen – es war bereits im letzten Jahr mit dem Schweizer Arc Award in Gold in der Kategorie „Der erste Bau“ ausgezeichnet worden.
Aus über 150 Einreichungen wählte die Jury insgesamt 50 Projekte aus, die vom 29. September bis 26. November 2017 im DAM Deutschen Architekturmuseum (Frankfurt am Main) ausgestellt werden. Der Katalog erscheint im Callwey Verlag. Unterstützt wird der Wettbewerb vom InformationsZentrum Beton, Hofquartier und Baumeister.
(dd)
Zum Thema:
Interviews mit studioRauch und Reuter Raeber Architekten gibt es in der Baunetzwoche #478