Das im Süden Brandenburgs gelegene Finsterwalde nennt sich aufgrund seiner Chor- und Musiktradition „Sängerstadt“, blickt aber gleichzeitig auf eine lange Industriegeschichte im Bereich der Textilproduktion zurück. Zu den Zeugen dieser Vergangenheit gehört auch die ehemalige Schaefer’sche Tuchfabrik im Stadtzentrum. Nach langem Leerstand wurde das Industriedenkmal nun nach Plänen von Habermann Architektur (Berlin/Finsterwalde) zur Kulturweberei transformiert. Sie bietet einen neuen Konzert- und Veranstaltungsort und verbindet so die beiden Finsterwalder Traditionslinien.
Der erhalten gebliebene Schornstein markiert schon von Weitem den Standort. Die Bruttogrundfläche von rund 5.172 Quadratmetern umfasst sowohl den umfangreich restaurierten Bestand als auch zwei neue Anbauten. Aufgrund des stark fortgeschrittenen Verfalls der Bausubstanz mussten Wände und Dächer der Fabrik im Zuge der Bauarbeiten vollumfänglich erneuert werden. Von der alten Produktionshalle mit Sheddach blieben nur die gusseisernen Stützen und Riegel übrig.
Sie prägen nun als historische Relikte die komplett wiederhergestellte Halle und kommen vor den hell geschlämmten Ziegelwänden besonders gut zur Geltung. Der weitläufige Raum dient als Foyer, Bar und Vorhalle für einen Neubau mit 4.611 Quadratmetern Bruttogrundfläche. Dieser nimmt einen Saal auf, der mit Tribüne, Podium, einer Raumtrennwand sowie mehreren hundert Lautsprechern ausgestattet ist. Er dient insbesondere für Konzerte, kann aber auch multifunktional genutzt werden. Möglich macht dies ein spezielles Nachhallzeitverlängerungssystem, mit dem unterschiedliche Klanganforderungen umgesetzt werden können. Über einem Wandsockel aus dunklen Holzpaneelen befinden sich helle, mit Leinen bespannte Akustikelemente. Die stoffliche Haptik und Faltung der Wandverkleidung, hinter der sich die Technik verbirgt, soll zugleich einen Hinweis auf die Geschichte des Ortes geben.
An der Straßenfront des Areals entstand ebenfalls ein neuer Kubus mit einer Bruttogrundfläche von 301 Quadratmetern als Eingangsbau. Er nimmt Ticketkasse, Ausstellungsflächen sowie Büro- und Verwaltungsräume auf. Auch hier wird mit der Präsentation eines restaurierten Webstuhls im Erdgeschoss der Bogen zur früheren Tuchfabrik geschlagen. Die neuen Fassaden fügen sich mit Ziegelriemchen in mehr als zehn unterschiedlichen Rottönen in das Bild atmosphärische Bild des Industrieerbes. Bronzierte Aluminiumprofile gliedern die nur partiell von Fensterbändern geöffneten Wandflächen in schmale lange Tafeln und geben den Baukörpern eine vertikale Ausrichtung.
Für das überzeugende Zusammenspiel aus modernisiertem Bestand und anspruchsvollem Neubau erhielt die Ende 2022 eröffnete Kulturweberei im Jahr 2023 den Brandenburger Baukulturpreis. Es ist ein guter Abschluss für das über einen langen Zeitraum hinweg emotional und kontrovers diskutierte Projekt. Denn schon 2007 gab es erste Ideen für eine Stadthalle. 2011 wurde ein Wettbewerb für den Umbau der Tuchfabrik durchgeführt. Doch anschließend verzögerten eine Klage von Projektgegnern und steigende Baukosten den Planungsprozess. 2016 schließlich befürwortete in einem Bürgerentscheid eine Zweidrittelmehrheit das Bauvorhaben. Zusätzliche Fördermittelzusagen von Bund und EU ermöglichten der Stadt letztendlich die Realisierung. Die Netto-Gesamtkosten werden vom Architekturbüro mit rund 20.87 Millionen Euro angegeben. (da)
Fotos: Jennifer Endom
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Kritiker | 22.02.2024 09:01 UhrEin Schelm wer das böses denkt.
Nach all den Abrissen. Ein Neubau....
Also wirklich schönes Gebäude. Aber das Gesamtgefüge der Produktionsbedingungenen Vorort. Einfach unglaublich.