Im Dortmunder Westfalenpark steht ein kleines, aber umso feineres Werk von Günter Behnisch, das kürzlich denkmalgerecht instand gesetzt wurde. Zusammen mit dem Ingenieur Günter Scholz realisierte Behnisch zur Bundesgartenschau Euroflor 1969 eine leichte Holzschalenkonstruktion, die wie ein aufgespanntes Tuch im Garten wirkt. Das sogenannte Sonnensegel ist eine hyperbolische Paraboloidschale und komplett aus Holz. Es war ursprünglich als temporäre Konstruktion konzipiert, blieb nach der Euroflor jedoch erhalten.
Nach einem knappen halben Jahrhundert gefährdeten Feuchtigkeit und Pilzbefall die Tragfähigkeit der offenen Überdachung, sodass sogar ein Abriss erwogen wurde.
Glücklicherweise nahm sich die Wüstenrot Stiftung aus Ludwigsburg dem Objekt an. Die Ludwigsburger haben über viele Jahre eine ganze Reihe wichtiger denkmalgerechter Sanierungsprojekte durchgeführt, darunter auch schwierige Objekte wie den Umlauftank (1967–74) von Ludwig Leo in Berlin, bei dem es nicht zuletzt um die Frage der Sanierbarkeit von wetterexponiertem und pink gestrichenem Bauschaum ging. Zusammen mit der Stadt Dortmund in ihrer Funktion als Eigentümerin des Sonnensegels übernahm die Stiftung nicht nur die Bauherrschaft, sondern auch in gleichen Teilen die Kosten in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Sanierungskonzept, Tragwerksplanung und Reparatur lagen in den Händen des Ingenieurbüros knippershelbig (Stuttgart/New York/Berlin), die Bauleitung verantworteten HWR Architekten aus Dortmund.
Das Sanierungsprojekt begann 2016/17 mit dem Erstellen einer Machbarkeitsstudie. Die Befundanalyse in diesem Zusammenhang erledigte die Materialprüfungsanstalt Stuttgart. Als die Planer*innen damit begannen, das Objekt zu „entblättern“ und einen detaillierten Blick auf die gesamte Konstruktion zu werfen, stellte sich deren Zustand als „gruselig“ heraus, erläutert Thomas Knappheide, dessen Wiesbadener Büro die Projektsteuerung verantwortete. Diskrepanzen zwischen anfänglicher Bestandskartierung und tatsächlichem Zustand sind bei solch experimentellen Instandsetzungsprojekten keine Überraschung. Wichtig sei nur, ergänzt Knappheide, dass die Bauherrschaft flexibel bleibe – was in Dortmund der Fall war. Zum Gelingen des Projekts trug auch die frühe und intensive Zusammenarbeit von Materialprüfungsanstalt, Tragwerksplaner*innen, Architekt*innen und den ausführenden Unternehmen bei.
Konstruktiv besteht das circa 1.000 Quadratmeter große Dach aus der Primärstruktur des 1,40 Meter tiefen Randgurtes und den parallel verlaufenden Nebenträgern an der Untersicht der Dachfläche. Auf die Nebenträger wurden drei Lagen Dachlatten genagelt. Sowohl die Träger des Randgurtes als auch die oberen beiden Lagen Dachlatten wiesen teils erhebliche Schäden auf und mussten repariert beziehungsweise ersetzt werden. Über die Hälfte der gesamten Holzkonstruktion wurde letztlich erneuert. Ein Großteil der Reparaturen wurde als Schäftungen ausgeführt. An der Untersicht zeigt sich die Dachfläche jedoch weiterhin in ihrer originalen Materialität. Neu sind auch die steil aufragenden Holzstützen samt Stahlseilen, an denen das Segel aufgehängt ist.
Um die Instandsetzung durchführen zu können, wurde die Holzschale durch Hydraulikstempel angehoben und auf einem aufwendigen Raumgerüst abgelegt. Die Schale fand also für einige Zeit wieder in die Ruhegeometrie zurück, die sie auch beim Bau hatte. Nach der Durchführung der Sanierungsarbeiten wurde das Segel neu gespannt. So segelt die mutige historische Konstruktion weiterhin luftig und leicht der Zukunft entgegen. (gh)
Fotos: Hans Jürgen Landes, Thomas Knappheide, HWR Architekten
Zum Thema:
Zu den drei großen Protagonisten des Schalenbaus – Heinz Isler in der Schweiz, Félix Candela in Mexiko und Ulrich Müther in der DDR – ist Anfang des Jahres eine ausführliche Publikation erschienen.
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
STPH | 19.10.2021 09:19 Uhr...
Wer kennt nicht aus der Uni diese leichten Strumpfmodelle, bei denen die Hauptmasse, etwa beim Olympiastadion, von Behnisch zugegeben, als Widerlager unter der Erde liegt. Scheinbare Leichtigkeit als Werbeträger. Der Maßstab ist hier die Falle. Hoffentlich nicht auch bei dem ganzen Ökotsunami.
Es trägt ja nur an sich selbst. Das Material gewinnt nicht im gleichen Maße an Festigkeit, wie es an Masse zulegt. Insekten können deshalb problemlos vom Dach plumpsen.
Schlaich hatte dieses making of besser im Griff. Frei Otto ist hier meiner Meinung auch dem als ob der Uni zuzurechnen.