Leipzig wächst. Der Bevölkerungsanstieg übersteigt die Prognosen. Die Stadt bekommt einen Speckgürtel. Der historische Kopfbahnhof, Zeugnis der gründerzeitlichen Blüte, ist einer der meistfrequentierten Bahnhöfe Deutschlands und beinhaltet seit den Neunzigerjahren ein Shoppingcenter. Gegenüber wurde das Wohnensemble am Brühl aus den Sechzigerjahren nach einem Wettbewerb durch ein Einzelhandelszentrum der Architekten Grüntuch Ernst ersetzt. Als einziges Relikt der DDR-Architektur beziehen die Höfe am Brühl die Kaufhausfassade aus Aluminium ein, die die damaligen Architekten 1966/68 vor die kriegsbeschädigte Gründerzeitfassade gehängt hatten.
Grüntuch Ernst Architekten gliederten den Komplex von 37.000 Quadratmetern in mehrere Themenhöfe, um dem Maßstab der historischen Altstadt gerecht zu werden. Auch um den benachbarten Glaskubus des Museums für bildende Kunst Leipzig soll die Blockrandstruktur wieder erstehen. Am 24. August wurde nun der Grundstein für das letzte der vier Eckgebäude gelegt. Das BernsteinCarré, benannt nach dem jüdischen Alteigentümer des Grundstücks, stammt von den Leipziger Architekten KLM, die sich zuvor in einem Wettbewerb durchgesetzt hatten. Geschäftsführer Olaf Koeppen arbeitete vor der Gründung des gemeinsamen Büros mit Sebastian Leder unter anderem für Grüntuch Ernst.
Als „Analogie zur klassischen Säulenordnung“ beschreibt der Projektarchitekt Thomas Hille den Fassadenentwurf des Eckhauses mit Sockelzone als Basis, Hauptgeschossen als Schaft und Dachgeschoss als Kapitell. Diese Arbeitsweise erinnert entfernt an die gründerzeitlichen Interpretationen historischer Baustile. Die Plastizität der Fassade wird hier nicht durch Putz und Stuck, sondern durch Glasfaserbetonelemente erreicht. 2017 sollen die Büro- und Einzelhandelsflächen bezugsfertig sein.
Nicht zufällig zeigt die Visualisierung im Vordergrund Touristen, die nun, gemäß dem Wunsch der Stadtplanung, zumindest an dieser Stelle wieder in den Genuss eines blockrand-orientierten Stadtgefüges kommen. Noch immer bleiben einzelne nachkriegsmoderne Riegel inmitten dieser Struktur bestehen und erinnern an die Diversität Leipziger Architekturgeschichte. (dd)
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Bernd | 05.09.2016 10:58 Uhrstädtebaulich wohl nicht so gelungen
sieht im Schwarzplan grafisch ganz einprägsam aus. In der Realität wird hier ein Solitär in den Hinterhof gezwängt, ganz zu schweigen von dem depressiven Blick aus den Büros/ Wohnungen.