Zeitlos seien seine Bauten, ohne angepasst zu sein, so Paolo Baratta über Paulo Mendes da Rocha, der schon 1957 in São Paulo sein erstes Gebäude fertig stellen konnte. Der brasilianische Architekt wird im Rahmen der kommenden Architekturbiennale in Venedig mit einem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt. Die Empfehlung hierzu kam von Alejandro Aravena, dem diesjährigen Direktor der Ausstellung, während der Aufsichtsrat der Biennale dann formal die Entscheidung traf.
Als „sanfter Brutalist“ wurde Mendes da Rocha anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Pritzker-Preis 2006 beschrieben, was nicht zuletzt auf seine Vorliebe für robuste Betonkonstruktionen bezogen gewesen sein dürfte. In ihrer Erklärung verwies die Biennale aber auch explizit auf seine weitgefächerten Interessen jenseits der Architektur, für politische und soziale Fragen, aber auch für technische und historische Themen. Kein Wunder, dass seine Gebäude nicht nur aufgrund ihrer präzisen Formensprache berühmt sind, sondern auch aufgrund ihres Beitrags zur brasilianischen Stadtgesellschaft.
Dass der 1928 geborene Mendes da Rocha der Sohn eines mit Hafenbauten und hydraulischen Konstruktionen beschäftigten Ingenieurs ist, sieht man seiner Architektur durchaus an. Schon sein erstes Gebäude, der Clube Atlético Paulistano in São Paulo, zeigt ein gewagt ausbalanciertes Tragwerk mit großen Spannweiten und stählernen Tragseilen. Und sein aufgeständerter Verwaltungsbau Poupatempo von 1998 könnte auf den ersten Blick auch an einem Schiffspier stehen und der Güterabfertigung dienen. Er habe keine Angst vor Kargheit, ja sogar Ärmlichkeit, wurde Mendes einmal von Francesco Dal Co zitiert, weil man nur so erkenne, was wirklich notwendig sei.
Trotz seines erklärten Fokus auf den Gebrauch verfügen viele seiner Gebäude über expressive, ja geradezu ikonische Qualitäten, was ihn zusammen mit anderen großen brasilianischen Modernen wie Lina Bo Bardi oder Oscar Niemeyer bis heute zu einem wichtigen Vorbild auch für jüngere Generationen lateinamerikanischer Architekten macht. Wer will, kann durchaus auch bei Aravenas Innovation Center der Universidad Católica Spuren einer verwandten architektonischen Haltung erkennen.
Nur wenige Bauten konnte Mendes da Rocha allerdings bisher außerhalb seiner brasilianischen Heimat errichten. Seine Europa-Premiere gelang ihm beispielsweise erst im letzten Jahr mit der Erweiterung des Museu Nacional dos Coches in Lissabon. Anders als Niemeyers schnelle Striche, die gut zum Zeitalter der Stararchitektur passten, ist Mendes da Rochas Arbeitsweise ohne eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Kontext nicht vorstellbar – das dürfte seinen Radius deutlich eingeschränkt haben.
Die Verleihung des Goldenen Löwen an Mendes da Rocha findet am 28. Mai 2016 im Rahmen der offiziellen Preis-Zeremonie im Hauptquartier der Biennale statt. Nach Phyllis Lambert 2014 und Álvaro Siza 2012 wird damit nun schon zum dritten Mal in Folge eine Position ausgezeichnet, die etwas außerhalb des hochtourigen Architekturgeschäfts der letzten Jahrzehnte steht. (sb)
Zum Thema:
www.labiennale.org
Mehr über Alejandro Aravenas Vorbilder und Paolo Barattas Biennale-Ideen auch in der Baunetzwoche#448: Reporting from the Front