Nur einen Steinwurf von der nördlichen Münchner Stadtgrenze entfernt liegt der 50 Hektar große Forschungscampus Neuherberg. Das Areal auf dem Gebiet der Gemeinde Oberschleißheim ist Standort des Helmholtz Zentrums München, das hier insbesondere zu chronischen und komplexen Krankheiten forscht. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz hat hier einen Dienstsitz.
Da der Bestandsbau aus dem Jahr 1979 nicht mehr den heutigen Ansprüchen entspricht, wurde Anfang des Jahres ein nichtoffener, einphasiger Realisierungswettbewerb für einen Neubau ausgelobt. 21 Teilnehmer wurden in einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren ausgewählt. Vor einigen Wochen tagte das Preisgericht unter Vorsitz von Markus Hammes aus Stuttgart. Gewonnen haben Glass Kramer Löbbert Architekten (Berlin). Vergeben wurden außerdem ein zweiter und zwei dritte Preise sowie zwei Anerkennungen:
- 1. Preis: Glass Kramer Löbbert Architekten (Berlin)
- 2. Preis: gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner (Berlin)
- 3. Preis: Staab Architekten (Berlin)
- 3. Preis: Max Dudler Architekten (Berlin)
- Anerkennung: Fritsch und Tschaidse Architekten (München)
- Anerkennung: ARGE mtp architekten (Frankurt a.M.) und sinning architekten (Darmstadt)
Der Neubau wird am südöstlichen Rand des Campus errichtet und schließt diesen zur Umgebung ab. Der Zugang erfolgt von Norden. Von den Wettbewerbsteilnehmern wurde ein „signifikanter, eigenständiger Baukörper“ gefordert, der die Aufgaben des Bundesamtes in den Bereichen „Gesundheit, Strahlenschutz und Umwelt sowie Notfallschutz“ in angemessener Weise repräsentiert. Eine potentielle Erweiterung des Hauses sollte bereits mitgedacht werden.
Glass Kramer Löbbert Architekten überzeugten die Jury mit einer „ausgewogenen Arbeit“, die in fast allen Belangen den funktionalen Ansprüchen der Nutzer entspricht. Die Berliner Architekten teilten das Haus in drei versetzte Baukörper auf, die jeweils um einen begrünten Innenhof organisiert sind. Die Integration der Gebäudetechnik und die „klar strukturierte Fassadengestaltung“ bezeichneten die Preisrichter als „vorbildlich“. Kritisiert wurde aber der architektonische Clou der eleganten, vertikal gegliederten Hülle, nämlich deren Ausführung in Holz. Hier sah die Jury einen Mangel an Nachhaltigkeit. Positiv wurden hingegen die vielen Flächen für informelle Kommunikation gesehen, die in heutigen Wissenschaftsbauten immer eine zentrale Rolle spielen.
Eine lange Magistrale oder ein flexibles Regal?
Auch der Entwurf von
gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner setzt auf Holz für die Fassaden: Die Architekten schlugen Stahlbetonfertigteile vor, die mit Holzpaneelen ausgefacht werden sollen. Sie gliederten das Haus in vier Teile, verzichteten aber auf Innenhöfe. Stattdessen zeigt der Entwurf eine lange „Magistrale“, die als zentrales Erschließungselement fungiert. Die Magistrale weitet sich innerhalb der vier Gebäudeteile zu foyerartigen Bereichen mit offenen Treppenhäusern und Oberlichtern. Von der Qualität dieser halböffentlichen Begegnungszonen war die Jury überzeugt, obwohl sie keine Ausblicke bieten und daher eher introvertiert sind.
Die beiden Berliner Büros Staab Architekten und Max Dudler Architekten erhielten gleichberechtigte dritte Preise. Damit würdigte die Jury zwei Projekte, die im Gegensatz zu den ersten beiden Preisen stärker konzeptionell orientiert sind.
Staab Architekten entwarfen das Haus als „Regal“: eine „klare und extrem wirtschaftliche“ Gebäudestruktur, die als strenger, dreigeschossiger Riegel im Gelände liegt und durch vier Kerne erschlossen wird. Alle Flächen sind flexibel bespielbar und können immer wieder umgebaut werden. Das Preisgericht attestierte diesem Konzept ein „besonders ausgereiftes Niveau“. Als großes Manko wurde jedoch das Fehlen „attraktiver Kommunikationsbereiche“ gesehen.
Mit Rundbögen provozierenHeftig gestritten wurde laut Juryprotokoll bei der Diskussion des Projekts von
Max Dudler. Die Architekten des Berliner Büros setzten auf eine streng serielle, dabei archetypische Gliederung des Hauses, indem sie es als geschlossenen Körper mit langen Reihen hoher Rundbogenfenster gestalteten. Mache Preisrichter sahen diese formale Setzung als „innovativ und mutig“, andere als bloße „Provokation“. Letzteres lag sicherlich auch daran, dass die Architekten in ihrer Präsentation schreiben, dass sie den Rückgriff auf das Bogenmotiv als „subtile Anspielung auf die Grenzen der technischen Innovation“ sehen.
Der Entwurf ist jedoch mehr als eine bloße formale Spielerei, wie ein Blick auf die innere Organisation des Hauses zeigt. Eindeutiger als die prämierten Konkurrenten versuchte Dudler, das Raumprogramm in eine ästhetische Ordnung zu bringen. Er schlug vier farbige Höfe vor: Ein roter Hof als haushohes Eingangsfoyer, ein blauer und grüner Hof als langgestreckte Innenhöfe mit Wasserbecken beziehungsweise Bepflanzung und ein gelber Hof auf der Höhe des ersten Obergeschosses als intimer Aufenthaltsraum mit Ausblick in die Landschaft. Die technischen Anforderungen an einen modernen Forschungsbau kämen trotz der eigenwilligen Grundhaltung nicht zu kurz, konstatierte die Jury.
Schlussendlich war so viel Poesie und ästhetische Hinwendung gegenüber den Nutzern wohl in der Jury für das Bundesamt für Strahlenschutz nicht mehrheitsfähig – auch wenn der Entwurf genau das bietet, was ursprünglich gefordert war: ein „signifikanter, eigenständiger Baukörper“, der dem weitgehend gesichtslosen Campus auf der grünen Wiese vor den Toren Münchens einen außergewöhnlichen Forschungsbau beschert hätte.
(gh)
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.,- | 21.11.2017 09:01 UhrHerzlichen Glückwunsch
Yes Johannes ;)