Seit dem 17. Jahrhundert wird in den Nordvogesen im Dreieck der Glashüttenstandorte Götzenbruck, Münzthal-St. Louis und Soucht Glas verarbeitet. In dem dort gelegenen 600-Seelen-Dorf Meisenthal nahm ab 1701 die industrielle Glasfertigung ihren Lauf. Der Legende nach ist hier die Wiege der Weihnachtsbaumkugel, die infolge eines besonders harten Winters als Ersatz für Früchte am Weihnachtsbaum aus der Not heraus geblasen wurde. Über den Kunsthandwerker Émile Gallé, der einst das Wissen der Einheimischen für seine Gestaltungsexperimente genutzt hatte, geht auch das „Jugendstil“-Glas auf diesen Ort zurück, wie das Centre International d’Art Verrier informiert.
Mit der Werksschließung 1969 endete vorerst die Geschichte der industriellen Glasverarbeitung, bis 1992 auf lokale Initiative in der ehemaligen Schleiferei der Glashütte das internationale Glaskunstzentrum Centre International d’Art Verrier gegründet wurde. Ziel ist die Weitergabe und Weiterentwicklung des Glaskunst-Know-hows.
Im Auftrag der Kommunen des Bitscher Lands (Pays de Bitche) wurde das New Yorker Büro
SO–IL in Kooperation mit dem Pariser Büro
Freaks nach einem 2015 entschiedenen
Wettbewerb beauftragt, eine Erweiterung des bisher in den Bestandsgebäuden der alten Fabrik untergebrachten Museums zu planen. Was die Architekt*innen zunächst im Modell skizzierten, haben sie mit einer konsequent durchlaufenden Ortbetonfläche ästhetisch 1:1 in ein Gebäude übersetzt. Auf einer Fläche von etwa 6.500 Quadratmetern entstand ein Neubau, der drei Institutionen vereint: das Musée du Verre et du Cristal, das Centre International d’Art Verrier und den multidisziplinären Kulturraum Halle Verrière.
Über eine in das Areal „hineingegossene“ Ortbetonfläche, die die Architekt*innen als Referenz an die Glasherstellung verstehen, werden die Bestandsgebäude und ihre unterschiedlichen Höhenniveaus verbunden. Zugleich wird die Schicht in ihrer Wölbung zugleich zu Decke, Wänden und Boden für neue Funktionen, darunter Büros, Werkstattbereiche, ein Café und ein Restaurant. Durch eine kreisförmig ausgestanzte Fläche entsteht eine Plaza, mit der die Identität des Ortes und des Glashandwerks gestärkt werden soll.
Auch die Bestandsgebäude erfuhren eine Neuinterpretation, ihr Raumprogramm wurde umgestaltet und erweitert. So hat die ehemalige Fabrikhalle einen neuen Eingang zum Untergeschoss erhalten, das nun vielfältig genutzt und durch eine Kombination mit dem dort untergebrachten Black-Box-Theater mit 500 Sitzplätzen in eine Konzerthalle für 3.000 Besucher*innen verwandelt werden kann.
(jvm)
Fotos: Iwan Baan
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Dem Projekt widmete auch die BauNetz-Wissen-Redaktion einen Artikel.
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arcseyler | 13.05.2023 10:28 Uhr...........
Zuvor nur die große helle Fabrikhalle mit teils bunten Glasfüllungen, durch die man den Ort draußen wie in einer anderen Welt wahrnahm. Das ist nun alles kaputt?