Kürzlich stellte Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung teils klagend teils aufatmend fest, dass es Stararchitekten als totale Gestalter gar nicht mehr gibt. In Marseille offenbar doch. Dort haben Massimiliano und Doriana Fuksas gerade ein ganzes Geschäftsquartier realisiert, vom Masterplan bis zum Fensterrahmen. Es trägt den Namen Euromed und umfasst vier Bürogebäude, ein Hotel, einen Park, ein Parkhaus, insgesamt 60.000 Quadratmeter gebaute Fläche – alles in einem Guss.
Dass dies möglich war, hat mit der Vorgeschichte des Projekts zu tun: Die ersten Pläne für Euromed gehen auf die 90er Jahre zurück, als die Stadtregierung von Marseille die Umwandlung des vernachlässigten Hafen-und Fährterminalgebiets anging. 2006 gewannen Fuksas zusammen mit den Projektentwicklern Cogedim-Altarea und Crédit Agricole Immobilier Promotion ein Bieterverfahren für das Geschäftszentrum des neuen Viertels. Damals war auch ein spektakuläres Lichtspieltheater geplant, dessen Form Delphine im Sprung nachzeichnen sollte. 2010 entschied man jedoch, das Kino von einem lokalen Büro in anderer Form bauen zu lassen. Und Fuksas mussten ihren Masterplan ökonomischer gestalten.
Blickfang ist nun das Hotel. Seine Gebäudefigur schlägt eine Welle, die sich von Süden nach Norden durch das Quartier zieht und unterhalb des bronzefarbenen Bürogebäudes scheinbar weiterläuft wie der Wassersaum am Strand. Das Hotel stellt zahlreiche Bezüge her: Von der Ebene der drei Bürogebäude im Osten lässt es Perspektiven auf die Hafenstruktur zu, vom Park im Norden aus gesehen, verbirgt es in der Seitenansicht seine extravagente Form, während es am Haupteingang zum Quartier im Süden wie eine Sitzbank zum Boulevard hin abfällt. Ganz in Weiß verkleidet, mit stark profilierten quadratischen Fenstern spielt es auf Motive des Mittelmeers an: Woge, Gischt, Strandkorb, Kreuzfahrtdampfer.
Nur auf den ersten Blick wirken die Bürogebäude schlicht. Die Grundrisse der Bauten H, L, und H2 verdeutlichen, dass Fuksas hier innerhalb eines Würfelvolumens ungewöhnliche Formen mit viel Fensterfläche und städtebaulicher Abwechslung umsetzte. Im Detail zeigen sich Brüche der Gebäudekonturen und farbliche Effekte an den Fensterrahmen, die mal Sonnenschutz, mal Wandrelief sind. Auch der bronzene Riegel im Westen erinnert daran, dass Bürogründer Massimiliano Fuksas seine Karriere als Bildhauer begann. Während er sich in der Länge mit sechs Etagen erhebt, weicht das Erdgeschoss dem Baukörper in einem sachten Winkel aus, die Norseite endet angeschrägt.
Fuksas sind nicht die einzige Prominenz, die sich an der Transformation des ehemaligen Industriehafens von Marseille beteiligt. Just auf der anderen Seite des Euromed flankierenden Boulevards steht Kengo Kumas Bau für die regionale Kunstsammlung FRAC, im Norden erhebt sich gerade ein Glasturm von Jean Nouvel, während daneben der Wolkenkratzer von Zaha Hadid Architects schon seit ein paar Jahren die Silhouette Marseilles mitprägt. (sj)
Fotos: Roland Halbe
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Oli | 28.03.2018 15:58 UhrDoch, es gibt Kritik...
... man muss sie nur suche. Es ist die Bildunterschrift zu Bild 5: " Die Quadratfenster des Hotels könnten auch einem Passagierschiff entstammen, im Norden schließt sich ein weitere Bürobau mit bronzener Fassade an."
Übersetzt steht hier: Es ist nicht erkennbar, welches Konzept hinter der Fassadengestaltung steckt. Es ist aber auch eigentlich egal. Schaut mal da hinten, da läuft gerade ein Dackel lang.