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17.12.2018

Ein dritter Weg

Gernot Schulz komplettiert Haus Altenberg im Bergischen Land


Historische Orte und Gebäude dienen oft dazu, einen vereinfachten Blick auf die Vergangenheit zu unterstreichen. Kann es umgekehrt auch gelingen, die Entwicklung eines Ortes in ihrer Vielschichtigkeit erfahrbar zu machen? Und zwar jenseits von zeichenhaften Setzungen wie die im Denkmalschutz so beliebten Bauzeugnisse unter Plexiglas? Der Umbau der im Odenthal bei Köln gelegenen katholischen Jugendbildungsstätte Haus Altenberg ist ein solcher Versuch. Seit 2012 arbeitete Gernot Schulz an diesem Projekt, dessen letzter Bauabschnitt nun fertiggestellt wurde.

Anhand der ehemaligen Zisterzienserabtei Altenberg, deren beeindruckende Klosterkirche diesen etwas abgelegenen Bereich des Tals dominiert, lässt sich nicht nur eine jahrhundertelange Ordensgeschichte erzählen. Äußerst interessant ist nämlich auch die Zeit nach der Säkularisierung des Klosters, in der die Anlage unter anderem als Chemiefabrik diente. Bei einer Explosion samt anschließendem Brand wurden nicht nur die Nebengebäude, sondern auch die Kirche fast zerstört. Nach Jahrzehnten als Ruine folgte dann Mitte des 19. Jahrhunderts ein Wiederaufbau, weshalb gerade die vermeintlich historischen Teile des Klosters keineswegs ein vollkommen authentisches Bild der Geschichte abgeben.

Im frühen 20. Jahrhundert folgte schließlich die Umwidmung von Teilen der Anlage zur Jugendbildungsstätte. Nach Plänen von Karl Brocker und unter der Beteiligung des Werkbundlers Hans Schwippert erfolgte der nächste Umbau, bei dem der Grundriss der historischen Anlage mit Neubauten nachgeahmt wurde. In den 70er-Jahren ergänzte Paul Georg Hopmann einen weiteren Flügel. Die aktuelle Transformation durch Gernot Schulz war schließlich notwendig geworden, um das Ensemble an die heutigen Brandschutz-und Nutzungsanforderungen anzupassen. Die Grundidee des Umbaus folgt dabei einer hybriden Strategie, die einerseits den archaischen Geist einer gotischen Klosteranlage erlebbar machen will, die andererseits aber auch die jahrzehntelange Nutzung – samt der hierfür spezifischen Architektur – als überaus beliebtes Jugendgästehaus in ihren Charakteristika erhalten will.

Die Eingriffe, die Schulz dabei vornimmt, sind durchaus substantiell. Als wesentliche Maßnahme erfolgte der Neubau eines Backsteinflügels im bestehenden Hof, durch den abstrakt die gotische Grundrisskonfiguration wieder aufgegriffen wurde. Hier befindet sich nun unter anderem die räumlich beeindruckende neue Kapelle, die bereits 2017 fertiggestellt wurde. Die architektonische Strenge des Hofs erinnert dabei auch an das klösterliche Motiv der Klausur und die mit ihr einhergehende Kargheit des mönchischen Lebens. Bewusst knüpft Schulz damit auch an die „Rheinische Moderne“ von Vorbildern wie Rudolf Schwarz an.

Jenseits dieses inneren Klosterbezirks entstanden weitere Bauten für den modernen Gästehausbetrieb. Weiß verputzt sind diese zum Backstein deutlich abgesetzt, aber zugleich formal auch auf die Wiederaufbauphase zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezogen. Neben neuen Empfangsbereichen, Seminarräumen und einer Mensa entstanden auch zwei neue Zimmertrakte. Die weißen Bauten stehen dabei explizit im Kontrast zur üppigen Landschaft, die nach Plan der Architekten wieder unmittelbar an die Gebäude herangeführt wurden – eine Strategie, die mit der Orangerie auch schon im ersten Teilabschnitt des Umbaus erfahrbar war.

Im Grundriss wurden die verschiedenen Gebäudeteile mittels einer zentralen Weg-Achse stringent organisiert. Hier befinden sich nicht nur alle Seminarräume, sondern auch die Haupttreppenhäuser, die zum Teil als beeindruckende mehrgeschossige offene Räume ausgebildet sind. Hier – wo Alt und Neu atmosphärisch fein vermittelt aufeinandertreffen – wird deutlich, was Schulz mit Blick auf Haus Altenberg als Versuch eines architektonischen dritten Wegs versteht: Entschieden modern in der Materialität, scheinen räumlich auch abstrakte historische Bezüge auf, was dem Ensemble insbesondere im Inneren einen fast schon überzeitlichen Charakter verleihen. (sb)

Fotos: Simon Wegener, Stefan Schilling


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Das ehemalige Zisterzienserkloster Altenberg wurde Anfang des 19. Jahrhunderts säkularisiert.

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Die Nebengebäude wurden umgenutzt und später teilweise zerstört. Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte die Umwidmung zur Jugendbildungsstätte.

Die Nebengebäude wurden umgenutzt und später teilweise zerstört. Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte die Umwidmung zur Jugendbildungsstätte.

Gernot Schulz fügt im neuen Empfangshof eine moderne Raumschicht hinzu.

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Es entstanden außerdem neue Gebäude für das Gästehaus, in denen unter anderem ein großer Speisesaal Platz fand.

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