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24.05.2023
Buchtipp: Dipl.-Ing. Arsitek
German-trained Indonesian Architects from the 1960s
Was gibt es Schöneres als ein richtig gutes Nischenthema? Die Publikation Dipl.-Ing. Arsitek. German-trained Indonesian Architects from the 1960s ist dafür ein perfektes Beispiel. Die beiden Herausgeber Moritz Henning und Eduard Kögel spüren darin den Karrieren von acht indonesischen Architekten (es ist keine Frau darunter) nach, die ihr Architekturdiplom in den 1960er-Jahren in Westdeutschland abgeschlossen haben.
Bis dato dürften hierzulande nur wenige Protagonisten dieses Buches bekannt sein. Kaum verwunderlich, kehrten doch die meisten von ihnen nach dem Studium zurück nach Indonesien. Dort allerdings wurden sie in einer Zeit, als das Land nach einem architektonischen Ausdruck seiner nationalen Identität suchte, zu wichtigen Akteuren. Erst kurz zuvor, im Jahr 1949 – fast zeitgleich mit der Gründung der DDR – hatte der südostasiatische Inselstaat seine Unabhängigkeit von den Niederlanden erlangt.
Der damit einhergehende politische Konflikt führte dazu, dass die indonesischen Architekten ihr größtenteils in Delft begonnenes Studium nicht fortsetzen konnten und stattdessen an die TU Berlin, die TH Hannover und die RWTH Aachen wechselten. Doch nicht allein die neuen diplomatischen Beziehungen waren es, die sie in die BRD führten, wie man im Buch erfährt. Auch solch prominente Namen wie Hans Scharoun, Willy Kreuer oder Herta Hammerbacher und deren architektonische Lehre trugen dazu bei. „It was only in Germany that I learned about the great concepts of architecture“, wird beispielsweise Architekt Han Awal zitiert.
Eingeleitet wird das Buch mit einer knappen Darstellung der damaligen politischen Umstände in Deutschland sowie Indonesien. Was dann folgt, ist eine Art Crashkurs in Berliner und Hannoveraner Nachkriegsmoderne. Für jüngere Leser*innen ist das sicher interessant, wer sich darin allerdings schon auskennt, darf gerne auf Seite 80 vorblättern. Denn ab hier spielen die acht indonesischen Architekten die angekündigte Hauptrolle. Zunächst werden ihre Diplomarbeiten vorgestellt, dann die Biografien mitsamt archivierter Pläne und Bilder ihrer Projekte. Im Anschluss werden 15 exemplarische Bauten mithilfe aktueller Aufnahmen der Fotografen William Sutanto und Moritz Bernoully präsentiert.
Auf diesen Seiten bekommt man schnell ein Gefühl für das Bestreben der Architekten, die Prinzipien der westlichen Architektur mit denen der traditionellen indonesischen zu vereinbaren. So findet man unter anderem das Conefo Building in Jakarta von Soejoedi Wirjoatmodjo, das unweigerlich an das Haus der Kulturen der Welt von Hugh Stubbins in Berlin erinnert. Im Fall des in Deutschland gebliebenen Jan Beng Oei, Vater von Marc Oei (LRO), wird so manche Leser*in vielleicht versuchen, die Handschrift seines Professors und zwischenzeitlichen Arbeitgebers Hans Scharoun wiederzufinden.
Die Einflüsse der westlichen Ausbildung klingen zwar an. Im Sinne einer unabhängigen indonesischen Architektur jedoch tut die Publikation Recht daran, diese Vergleiche selten direkt zu ziehen und die Bauwerke für sich stehen zu lassen. Eben diese Ambivalenz reflektiert denn auch Han Awal in seinem 1993 veröffentlichten Text „Independence and Architecture“, der in Dipl.-Ing. Arsitek im Abschnitt Positionen abgedruckt ist.
Text: Maximilian Hinz
Dipl.-Ing. Arsitek. German-trained Indonesian Architects from the 1960s
Moritz Henning, Eduard Kögel (Hg.)
Englisch
232 Seiten
DOM publishers, Berlin 2023
ISBN 978-3-86922-866-2
28 Euro
Zum Thema:
Moritz Henning und Eduard Kögel setzen sich gemeinsam mit weiteren Forscher*innen schon seit Längerem mit dem Erbe der postkolonialen Moderne in Südostasien auseinander. Die Publikation ist Teil des Programms „Encounters with Southeast Asian Modernism“.
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Han Awal vor einem Modell des nicht realisierten Entwurfs für die Bank Indonesia, etwa 1980.
Conefo Building (heute National Parliament Building) in Jakarta von Soejoedi Wirjoatmodjo, 1964–84
Heiligkreuz Kirche der katholischen Gemeinde von Cilincing in Jakarta von Yusuf Bilyarta Mangunwijaya, 1983–84
Lindenhalle in Ehingen von Jan Beng Oei + Partner, 1978–84
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