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29.01.2020

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Justitia im Glitzerkleid

Gerichtsbau von Hamonic+Masson & Associés in Douai


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Ein Schwert an der Seite, die Waage in der Hand und die Augen mit einem Tuch verbunden steht die Göttin der Gerechtigkeit da, um ihr Urteil zu fällen. Mit Bedacht abzuwägen, mit der nötigen Härte durchzugreifen, aber immer gerecht, ohne Ansehen der Person: So sachlich und nüchtern die Urteile von Justitia auch sein sollen, für die Gerichtsgebäude selbst – das zeigt das Beispiel Gelsenkirchen wo man auf größtmögliche Schlichtheit setzte – muss dieser Grundsatz nicht zwangsläufig gelten. Und so verpasste das Pariser Büro Hamonic+Masson & Associés dem Justizzentrum im nordfranzösischen Douai, 40 Kilometer südlich von Lille gelegen, einen silbrig glänzenden Anbau.

Eine Fassade aus perforierten Stahlblechen im Obergeschoss und Justitia trägt Glitzerkleid. 1.800 Quadratmeter groß und 7,6 Millionen Euro schwer ist der im öffentlichen Auftrag der Stadt realisierte Bau, in dem zwei neue Gerichtssäle untergebracht sind. Er ergänzt den Bestand mit dem markanten Turm aus den 1970er Jahren. Das eigentliche Gerichtsgebäude aber ist noch viel älter, schließlich stammt der sogenannte Pollinchove-Palast, in dem einst das flämische Parlament tagte, aus dem Jahr 1714.

1978 wurde dieser dann um den würfelförmigen Turmbau erweitert, unter den sich nun der Neubau schiebt. Bezugnehmend auf die prominente Lage direkt am Ufer der Scarpe haben Hamonic+Masson das Erdgeschoss als nach Süden orientierte, lichte Treppenanlage gestaltet. In seiner Formgebung sei dieser öffentliche Raum einer „natürlichen Landschaft“ nachempfunden, so die Architekt*innen. Wie im ganzen Gebäude spielt hier Licht – Transparenz als typisches, vertrauensbildendes Motiv der Gerichtsbarkeit – eine wichtige Rolle. Selbst die abgeschotteten Gerichtssäle wurden über Oberlichter mit Tageslicht versehen. Funkelnd, glitzernd, licht und hell, Justitia im Lichterkleid. (kat)

Fotos: Takuji Shimmura


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Kommentare
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4

claus | 03.02.2020 23:58 Uhr

recht oder herrschaft

huch, warte mal, da scheint aber jemand ein großes missverständnis zu reiten. im deutschen rechtssystem verfügen richter (und schöffen, als demokratische repräsentanz der gesellschaft) über einen relativ großen ermessensspielraum. im verfahren entsteht auch ein dialog mit den beschuldigten und deren lebensumstände können durchaus in die urteile einfließen (z.b. bei tagessatzregelungen). da ist schon mehr als die staublunge des amtsschimmels drin. der rahmen ist über prozessordungen und gesetzte definiert, alles weitere wird verhandelt. ein demokratisches system.

diese einstellung ist aber noch relativ jung, es gibt weite phasen, gerade auch in der deutschen geschichte, in denen das recht und die justiz, einzig als mittel zur legimitation von herrschaft, zur unterdrückung und schlimmerem benutzt wurde. die würde des menschen ist, rechtlich betrachtet, bei uns erst seit gut 70 jahren unantastbar. fritz bauer hat das schön zusammengefasst als er sagte, dass wir menschen unserem "affenzustand noch sehr nahe sind und dass die zivilisation nur eine sehr dünne decke ist, die sehr schnell abblättert." und das blättert manchmal schneller, als die nächste werbepause kommt, liebe tine.

die frage daraus muss doch heißen: was bedeutet das für unsere jetzigen häuser? kann schon sein, dass widerständige charaktere wie bauer, auch in repressiven klötzen wie in gelsenkirchen herangewachen wären. in einer zeit aber, in der bücher des richter-gnadelos-genres eine große anhängerschaft haben, muss man sich doch schon fragen, ob es so schlau ist, häuser zu bauen, die keine zwischentöne mehr kennen und sich primär autoritär geben. oder ob sich eine gesellschaft unter umständen auch in ihren bauten ausdrückt...was jetzt kein übermäßig neuer gedanke ist, zugegeben…

es ist doch völlig nebensächlich, ob die robe schwarz, purpur oder aus pailletten ist, beteutender ist was sich da im kopf abspielt und zu welchem verhalten das haus einen so ermuntert…

3

Tine Wittler | 31.01.2020 18:06 Uhr

Santa Claus

...alle dürfen sich was wünschen im Justitzpalast... äh, warte mal, hier geht es doch um das Recht, einer Repräsentanz in einem demokratischen Land lieber claus, was hat denn da die Ausübung der Judikative mit Gehorsamkeit zu zun - wo wir doch alle einigermaßen glücklich sein dürften über ein in demokratischen Gremien und Organen und entstandenes und verabschiedenes Rechtssytem... Darin sollten Sie, unabhängig der städtebaulichen Fügung, keinen Gehorsam ausüben, da reicht m.M. eigenes Schulterklopfen völlig aus, dass man diese Form des Rechtssystems als partizipierender Bürger mit trägt und unterstützender Bestandteil ist.

Zurück zum Sockel:
Sie finden, ein Glitzerkelid steht der Justitz besser als eine schwarze Robe? Ich fühle mich da irgendwie nicht erst genommen, trotz des städtebaulichen Kontexts...

2

claus | 30.01.2020 23:05 Uhr

dialog und gehorsam

uh diesen schaurigen beamtenbunker in gelsenkirchen hatte ich ja ganz vergessen! bitteres teil. wohingegen dieser justitzpalast das um welten bessere gebäude ist. gerade den von tine kritisch betrachteten sockel, sehe ich als einen recht gelungenen vermittler zwischen gericht und bevölkerung, sowie zwischen kleinteiliger umgebung und den relativ klarem bürohaus...

in douai herrscht dialog, in gelsenkirchen nur gehorsames "jawoll", da möchte man doch lieber in frankreich sein...

1

Tine Wittler | 29.01.2020 17:17 Uhr

fifty fifty

...erster Eindruck: uhh, der Sockel war aber keine gute Idee... das Hochhaus hingegen gar nicht schlecht als städtebauliche Dominate... und dann las die Tine, dass der der Sockel die frohe Botschaft sei... Städtebaulich lese ich hier mehr eine Hiobsbotschaft: der Sockel muss weg!

 
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