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01.12.2020

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Treffpunkt Buchterrassen

Gemeinschaftliches Dorfhaus mit Bibliothek im Süden Chinas


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Seit 2016 beschäftigen sich Student*innen der Architekturfakultäten in Hongkong und Guangzhou gemeinsam mit den Lebensbedingungen in den stark traditionell geprägten Dörfern der Dong im Süden Chinas. Die Dong sind eine von insgesamt 56 staatlich anerkannten Minderheiten, ihr Siedlungsgebiet liegt vor allem in den subtropischen Flusstälern zwischen den drei südchinesischen Provinzen Guangxi, Guizhou und Hunan. Ihre Architektur ist bekannt für eine reine Holzbaukunst, in der keine Schrauben oder Nägel verwendet werden; einige ihrer Trommeltürme und üppig verzierten und überdachten „Wind-und-Regen-Brücken“ sind Touristenattraktionen.

In intensiven Gesprächen der Studierenden mit den Bewohner*innen des 2.500-Einwohner-Dorfs Gaobu im abgelegenen Tal des Pingtan-Flusses entstand die Idee eines neuen Gemeinschaftshauses mit integrierter Bibliothek: das Gaobu House of Books. Denn die meisten Kinder werden hier von ihren Großeltern erzogen, bis sie zehn Jahre alt sind – die Elterngeneration ist größtenteils zum Arbeiten in die Städte abgewandert, ein System von Grundschulen gibt es kaum. „Dadurch verbringen die Kinder auf diesen Dörfern sehr viel Zeit online und mit Videospielen“, schreibt das Design Research Studio Condition_Lab der Universität von Hongkong, das vom britischen Architekten Peter W. Ferretto geleitet wird. Diesem Problem soll das House of Books als gemeinsamer, generationanübergreifender Ort des Lernens und Spielens nun ein Stück weit abhelfen. Für dessen Finanzierung konnte ein privater Sponsor gewonnen werden.

Das Gemeinschaftshaus ist ein Prototyp, denn ein solches Angebot gibt es auf den Dörfern bislang nicht: Es ist ein Holzbau, der in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern in der traditionellen Bauweise der Dong entstand. Das Haus besitzt keine Türen, sondern öffnet sich im Raster seiner Holzpfeiler und der gefalteten Schaufassade zum zentralen Platz. Wenige Sitzstufen und eine Treppe mit knallrotem Geländer laden zum Eintritt. Im Inneren ist der Bau als verschachtelte Terrassenstruktur angelegt, die Treppe ist sozusagen der „rote Faden“, der durchs ganze Gebäude führt. „Bei unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass die Treppen in den Dörfern und Häusern der Dong ein wesentliches Element ist“, erklärt Milly Lam, Architektin am Condition_Lab, dazu. Da sich die Dörfer meist an den Hängen der Flusstäler befinden, sind sie auf Terrassen angelegt. Die sie durchziehenden Treppen dienen als öffentlicher Treffpunkt und Aufenthaltsort: für informelle und offizielle Gespräche, zum Sitzen und Arbeiten. Genau so soll auch die Treppe im House of Books genutzt werden.

Der 200 Quadratmeter große Bau bietet nutzungsoffene Räume. Das Erdgeschoss soll als überdachter Raum zum „öffentlichen Wohnzimmer“ werden, für Versammlungen, Veranstaltungen und Ausstellungen. „Alle Innenwände des Hauses darüber sind als Buchregale gestaltet“, so Lam. Zwölf verschiedene Abteilungen können mit der Zeit gefüllt werden, die Kinderbibliothek sei bereits gut angenommen worden. Diesem ersten Prototypen, der Anfang 2019 offiziell eingeweiht wurde, folgt bereits ein zweites Haus, das derzeit im vier Kilometer entfernten Dörfchen Pingtan im Bau ist. (fh)

Fotos: Liang Leon Xu



Zum Thema:

Mehr zum Thema Buchhäuser, Bibliotheken und Buchläden in China in der BAUNETZWOCHE#566 „Bühnen für Bücher“, die am 5. November 2020 erschienen ist.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

8

Paula | 04.12.2020 13:49 Uhr

der raum will in den raum

schöne plangrafik.

ich fände es übrigens auch besser man würde in deutscheland die aussteifung weglassen.

in china gabs schon 48 frauenwahlrecht, im tessin erst 69. jedenfalls im kanton.

ist das eigentlich kantonesische küche?

7

Stefan Frischauf | 03.12.2020 12:42 Uhr

@claus

Danke für den sehr schönen und differenzierten Kommentar @Robert.

China mit seinen bald 1,4 Mrd. Menschen ist wahrlich weitaus mehr als KP und Diktatur. Ein Vielvölkerstaat mit einer höchst faszinierenden Geschichte. Und einem mindestens genauso viel vernarbten "kollektiven Gedächtnis" wie unserem hier in der Mitte des "alten Kontinents Europa". Habe das Land im wechselvollen Jahr 1989 zum ersten Mal für 3 Monate bereist und hatte dann 2011 / 12 nochmals die Gelegenheit, noch einmal dort zu leben und zu arbeiten, zwischen dt. und chinesischen "Partnern" vor dem Hintergrund der geplatzten chin. Immobilienblase zu vermitteln. Abgesehen davon, dass Projekt und Arbeitsort in Hangzhou, einer der schönsten Städte Chinas, vielleicht der Welt lagen: es ist schon sehr markant, wie viele wunderschöne Projekte aus der chinesischen Provinz in ebensolchem lokalen und traditionellen Kontext in letzter Zeit erscheinen. Dafür sei dem Baunetz hier nochmals explizit besonders gedankt.

@Robert: auch 1,4 Mrd. Menschen haben eine Seele. Und viele davon eine höchst differenziert individuell sich ausformulierende. Brandschutz, Baunormen und Totalitarismus-Debatten mal ganz außen vor.
Es geht immer um Menschen und die 4+ Wände, in denen sie sich bewegen. Nicht mehr, nicht weniger.

6

claus | 03.12.2020 00:25 Uhr

@robert

ich denke, dass man in diesem fall zwischen china als vielfältigem kulturellem verbund und china als totalitären Überwachungsstaat differenzieren sollte. Man läuft sonst gefahr 1,4 mrd. Menschen in einen für die menge recht kleinen topf zu werfen. Wäre das gezeigte auf einer dieser staubigen staatsbauten von gmp, würde ich mich auch bedeutend verhaltener äußern. Die Frage nach tibet, xinjiang oder honkong wäre sicher angebracht. Ironischer weise wurde das haus, aber offensichtlich u.a. von studierenden der universität von hongkong entworfen, es schwingt in meinen Augen der drang nach freiheit mit. Auch wenn die KP einem etwas anderes glauben lassen möchte: es gibt mehr als ein china.

5

Fabian Wieser | 02.12.2020 15:43 Uhr

reflektiert

"schön zu sehen, dass china eben nicht nur megacity, plattenbau, umweltzerstörung und kommunismus bedeutet. china kann also auch tessin." - zu akzeptieren, dass china AUCH tessin kann bedeutet ja implizit das China eben leider (auch) die anderen genannten Punkte ist. Das ist eben genau NICHT unreflektiert.

Ich finde es genau richtig mit Blick auf China die Normenfülle in Frage zu stellen - für mich etwas fundamental anderes als drauf zu sch***en - weil wir Tessin bestimmt können, aber es wirkt doch oft unnötig schwer dahin zu kommen.

4

Robert Zimmermann wundert sich über | 02.12.2020 13:34 Uhr

gar nichts mehr

So viel unreflektierte Chinabegeisterung. Wunderbar. China kann Tessin, Deutschland nicht. Ja geht's noch? China kann eben nicht nur Menschenrechte mit Füßen treten. Ach komm, sch*** auf Brandschutz, auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an. Blablabla, sch*** auch auf Form, wenn der Inhalt schon nicht stimmt. Hissen wir die Flagge vor der Hütte.

Und nun zurück zur Architektur - danke!

3

claus | 01.12.2020 23:57 Uhr

einfach lesen

mittlerweile kann man eigentlich kaum mehr überrascht sein, was in chinas provinz so alles möglich ist. einfachheit und komplexität sind keine widersprüche, beides kommt zusammen, ergänzt und lernt von einander.

mal wieder ein tolles haus, von menschen, die begriffen haben, dass es beim buch ums lesen geht und nicht um das objekt. diese erkenntnis kann man sich in anderen breiten nur wünschen.

2

peter | 01.12.2020 17:59 Uhr

wunderbar

schön zu sehen, dass china eben nicht nur megacity, plattenbau, umweltzerstörung und kommunismus bedeutet. china kann also auch tessin.

hierzulande hätte das haus vermutlich niemand planen und bauen können: fehlende aussteifung, fehlender brand- und wärmeschutz, fehlender schallschutz, blablabla. deutschland kann eben kein tessin.

1

latimer | 01.12.2020 15:52 Uhr

Bibliothek

Ein wunderbares Projekt! Eine Wiederentdeckung alter Handwerkskunst, prima Bibliotheksräume, schöne Farben und Materialien - ein Schmuck für Gaobu!

 
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Das „House of Books“ am Dorfplatz von Gaobu im Flusstal des Pingtan.

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Es steht direkt neben der Grundschule.

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Der Neubau wurde im Sinne der traditionellen Holzbaukunst der Dong errichtet.

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Mit geringem Budget ist ein heller Bau zum Lernen, Lesen und als Treffpunkt der Dorfgemeinschaft entstanden.

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