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12.12.2017

Buchtipp: Commons

Gemeingut Stadt


„Gemeingüter sind weder etwas, das einfach da draußen existiert, noch sind sie etwas, das – objektiv gesehen – bestimmten Ressourcen oder Dingen innewohnt. Sie sind eine Beziehung zwischen Menschen und den von ihnen kollektiv als essentiell für ihre Existenz beschriebenen Bedingungen“, schreibt Stavros Stavrides, ein in Athen lebender Architekt und Aktivist. Sein Essay Common Space: The City as Commons widmet sich genau diesen Gemeingütern, ihren Entstehungsbedingungen und Möglichkeiten. Er liegt nun, in deutscher Übersetzung und mit einem Vorwort des Herausgebers Mathias Heyden versehen, als vierter Band der Reihe Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt vor.

Ganzseitige Fotografien in Schwarz-Weiß durchziehen das Heft. Sie zeigen Menschen, die Plätze besetzen und Transparente hoch halten, informell im Selbstbau entstandene Siedlungen und immer wieder Trampelpfade. Diese abseits vorgegebener Wege entstandenen Routen lassen sich sinnbildlich verstehen. Sie sind ein soziales Projekt, viele haben sie geformt, sie zeichnen Bedürfnisse nach, sie gehören allen und keinem – sie sind Gemeingut geworden. So begreift auch Stavrides die Produktion und Erhaltung von commons als eine soziale Praxis und ein „Gemeinschaffen“. Eine Praxis, die zwar einerseits aus der Notwendigkeit unter dem Druck einer kapitalistischen Ordnung entstanden ist, anderseits jedoch durch Akte des Teilens und durch die ständige Neuaushandlung existierende Hierarchien und Machtverhältnisse nachdrücklich infrage stellt.

Die Beispiele, mit denen Stavrides dieses gesellschaftstransformatorische Potential des „Gemeinschaffens“ untermalt, sind vorwiegend in Lateinamerika und im krisengebeutelten Griechenland zu finden. Auf der Bildebene werden der besetzte Syntagma-Platz in Athen, die Nachbarschaftsbewegung Movimiento Popular La Dignidad in Buenos Aires und die selbstverwaltete griechische Radiostation ERT um eine spezifisch Berliner Perspektive ergänzt. Fotografien von Ines Schaber und Sandra Bartoli zeigen Orte in der Hauptstadt, an denen durch Aneignungsprozesse ein Wandel des öffentlichen Raumes vollzogen wird. Hier ist insbesondere das Tempelhofer Feld zu nennen. Nach Besetzung, Volksbegehren und Bürgerentscheid zur Freihaltung im Jahr 2014 wurde hier die langfristige Umwidmung von Freiflächen in Parks sogar gesetzlich bindend.

Die Erweiterung um Berliner Bespiele verleiht dem Band Allgemeingültigkeit. Den Berliner Heften zur Geschichte und Gegenwart der Stadt, einem jungen, als Verein organisierten Verlag zur Verbreitung stadtdiskursiver Texte, ist eine Publikation gelungen, die Hoffnung macht. Sie erzählt von den Chancen eines neuen sozialen Miteinanders, die inmitten der Krise wurzeln – und von der Möglichkeit, die Gewohnheiten unserer gebauten Umwelt radikal zu hinterfragen. Und sie stellt die entscheidende Frage: Welche neu- und andersartigen Räume erfordern und fördern solche Praktiken des „Gemeinschaffens“ – im Öffentlichen wie auch im Privaten?

Text: Kathrin Schömer

Gemeingut Stadt

Stavros Stavrides, Mathias Heyden (Hg.)

Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt #4, 2017
64 Seiten, zahlreiche Abbildungen

ISBN: 9783946674030

7 Euro


Zum Thema:

Am kommenden Samstag, 16. Dezember 2017 veranstaltet das Berliner Ballhaus Ost eine Lesung aus dem mittlerweile erschienenen Band #6 der Reihe. Anne Ratte-Polle und Florian Anderer lesen aus Sonya Schönbergers Oral History-Buch „Zingster Straße 25“ und stellen ihm Zitate aus Irina Liebmanns Buch „Berliner Mietshaus“ von 1982 gegenüber


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