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01.12.2015

Stiller Begleiter

Gedenkstätte von Rudy Ricciotti in Frankreich


An die dunklen Flecken der Vergangenheit erinnern sich die wenigsten gerne. Lieber wäre es wohl auch der südfranzösischen Gemeinde Rivesaltes, sie wäre ausschließlich für ihr Weinanbaugebiet bekannt. Die nördlich des Zentrums gelegen Baracken des Internierungslagers „Camp de Rivesaltes“ gehören jedoch mit zum Ortsbild. An deren Geschichte wird seit diesem Oktober mit einer neuen Gedenkstätte erinnert. Der Entwurf stammt von Rudy Ricciotti, der zusammen mit Passelac & Roques studio den Wettbewerb 2005 gewann.

Camp de Rivesaltes wurde 1939 ursprünglich als Militärlager „Joffre“ errichtet, aber schon wenige Jahre später zum Auffanglager umfunktioniert. Für die nächsten vier Jahrzehnte sollte es zum Ort für Vertriebene und Unerwünschte werden. Zahlreiche Juden wurden von dort in die Vernichtungslager der Nazis deportiert, nach Kriegsende inhaftierte man Kriegsgefangene und französische Kollaborateure. Mit der Unabhängigkeit Algeriens 1962 kamen die „Harkis“, algerische Muslime, die der französischen Kolonialmacht im Algerienkrieg die Treue gehalten hatten und nun mit ihren Familien nach Frankreich geflohen waren. Aus Platzmangel brachte man 20.000 Flüchtlinge in den Baracken von Rivesaltes unter, die letzten verließen das Lager 1977.

Viele Teile der Geschichte von Rivesaltes sind noch unerforscht, und es gab bereits Pläne zum Abriss der Ruinen. Dass die Geschichte nun aufgearbeitet und der Menschen gedacht wird, die dort den Tod fanden, ist unter anderem dem mittlerweile verstorbenen Präsidenten des Regionalrats Christian Bourquin zu verdanken. Mit Ricciottis Entwurf erhält der Ort eine Gedenkstätte, die sich dem Bestand im wahrsten Sinne unterordnet und dennoch die nötige Repräsentationskraft besitzt.

Der Bau, ein Quader mit etwa 220 Metern Länge und 20 Metern Breite, ist an der Stelle des ehemaligen Exerzierplatzes in den Boden gleichsam eingegraben. Schwer wiegt die Geschichte und genauso schwer scheint das monolithische Gebäude zu wiegen. Drei Patios und wenige kleine Öffnungen belichten den ansonsten geschlossenen Bau. Betreten wird er über eine Rampe an der Nordseite. Von dort gelangt man zum großen hellen Patio im Westen, um den sich mehrere Unterrichtsräume reihen, und in das Foyer, an das ein Auditorium grenzt. Östlich schließen ein weiterer Patio mit Restaurant und ein kleinerer mit Verwaltungsräumen an. Ganz am Ende, im geschlossenen Teil, liegen die Ausstellungsräume, die über zwei schmale, dunkle Gänge erschlossen sind.

Von Ost nach West steigt das Dach der Gedenkstätte leicht an, überschreitet dabei aber die Höhe der umgebenden Ruinen nicht. Aus der Ferne ist sie daher kaum wahrzunehmen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Farbigkeit des Kubus, der sich an den ockerfarbenen Sandboden anpasst. Ein stiller Begleiter in der kargen Landschaft, die viel zu erzählen hat. (ks)

Fotos: Kevin Dolmaire, Frédéric Hédelin, Olivier Amsellem


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