Der Herzlberg im Westen Jerusalems ist einer der zentralen Orte des israelischen Selbstverständnisses. Eine ganze Reihe nationaler und historischer Gedenkstätten gibt es auf dem Hügel, außerdem die Gräber von Theodor Herzl, dem Begründer des Zionismus und vieler wichtiger Politiker und Zionisten. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt die zentrale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Mit der Memorial Hall of Israel’s Fallen, die im September letzten Jahres fertig und vor kurzem offiziell eröffnet wurde, besitzt der Berg nun eine weitere Stätte nationaler Identitätspolitik. In der Gedenkstätte wird den gefallenen Soldaten Israels gedacht. Eine 250 Meter lange „Wand der Namen“ aus 23.000 beigen Ziegeln ist den Toten gewidmet. Sie schraubt sich entlang einer Fußgängerrampe drei Geschosse in die Tiefe des größtenteils unterirdischen Gebäudes hinab. Korrespondierendes Gegen- und zugleich architektonisches Herzstück der Gedenkstätte ist ein spektakulär geschwungener Trichter aus weißen Ziegeln in der Mitte des ovalen Baukörpers, der sich zum Himmel öffnet. Der Trichter bringt Licht in die Tiefe des Baukörpers und schafft eine würdevolle Stimmung, ohne auf düsteres Pathos zu setzen.
Verantwortlich für den Neubau sind Kimmel Eshkolot Architects aus Tel Aviv, die 2006 vom Verteidigungsministerium mit dem Bau der Gedenkstätte beauftragt wurden. Bei der Umsetzung der Trichterform arbeiteten die israelischen Architekten mit ROB Technologies in Zürich zusammen, einem Spin-off der ETH, das von Tobias Bonwetsch und Ralph Bärtschi gegründet wurde, zwei ehemaligen Mitarbeitern des Lehrstuhls von Fabio Gramazio und Matthias Kohler. „Automating the Non-standard“ ist das Motto des Unternehmens, das Softwarelösungen für den Einsatz von Robotern anbietet, vor allem in den Bereichen Produktion und Architektur.
Die 8.000 Ziegel des Trichters wurden individuell zugeschnitten. Ursprünglich war eine geklebte Betonkonstruktion angedacht, was statisch machbar gewesen wäre, aber auf Grund der Bauvorschriften nicht möglich war. Danach experimentierte man mit Stahlverbindungen, schlussendlich entschieden sich die Planer jedoch dafür, die einzelnen „Ziegel“ aus Aluminium-Strangpressprofilen zu produzieren. Der Trichter ist also letztlich eine Leichtkonstruktion aus Aluminiumblöcken, die ein zwei Millimeter dünnes Finish aus Zement bekamen, das eine steinerne Materialität vortäuscht. In konzeptioneller Hinsicht ist das sicherlich ein Wermutstropfen, der die atmosphärischen Qualitäten der Gedenkstätte jedoch nicht mindert.
Die äußere Hülle des Projekts hatte für die Architekten sekundäre Bedeutung, wie sie selbst schreiben. Das Einfügen des Neubaus in die Topographie des Hügels war ihnen ebenso wichtig, wie die formale Korrespondenz mit dem direkt anschließenden Soldatenfriedhof. Strahlend weiß und offen begehbar zeigt sich die elegante Kuppel der Gedenkstätte mit ihrem raffinierten oberen Abschluss. Unerwähnt lassen Kimmel Eshkolot jedoch eine lokale Referenz: Den 1965 eröffneten Schrein des Buches im Israel Museum mit seiner eigenwilligen Kuppel aus weiß glasierten Fliesen – das einzig realisierte Gebäude des aus Österreich stammenden Architekten, Gestalters und Bühnenbildners Friedrich Kiesler, das dieser noch kurz vor seinem Tod zusammen mit Armand Bartos fertig stellen konnte.
Vor dem Hintergrund dieser architekturhistorischen Bezugnahme ist Kimmel Eshkolots Entwurf wohl auch als ein Weiterdenken moderner architektonischer Pathosformeln mit Hilfe digitaler Technologien zu interpretieren. Kein Wunder also, dass das Projekt vor kurzem mit dem RIBA Award for International Excellence 2018 als eines der 20 besten neuen Gebäude der Welt ausgezeichnet wurde. (gh)
Fotos: Amit Geron
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cibi-architektin | 18.05.2018 15:28 UhrEinfach nur schön!
Einfach nur gelungen und schön!
Das Licht, die Typografie, die Ästethik.
Ganz große Architektur, auch wenn die Steine halt keine Steine sind.