Prunkvolle Villen zeugen davon, dass Colonia Juárez einmal ein nobler Vorort von Mexiko-Stadt war. Brutalistische Ästhetik in Form größerer Geschossbauten durchsetzt inzwischen den heute zentralen Bezirk. Im Zuge eines Aufwertungsprogramms schaffen kleine architektonische Eingriffe Raum für gesellschaftliche Funktionen. Das Havre 77 gestaltete der Architekt Francisco Pardo zusammen mit Julio Amezcua, mit dem er seit 2001 das gemeinsame Büro AT103 betrieb. Mit dem Projekt will er nichts Geringeres, als „die DNA der Nachbarschaft verändern, um aktuellen sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden“.
In der stuckverzierten Villa entstanden ein französisches und ein japanisches Restaurant. Eine neue Konstruktion aus Stahl und Beton wächst aus dem Hinterhof über den Ziegelbau hinaus und erweitert das Raumprogramm erheblich um großzügige Flächen für Büros und Co-Working-Spaces. Ein kleiner Hof zum Nachbargebäude, das übrigens von denselben Architekten umgestaltet wurde, soll Grundstück und Straße verbinden. In dem Gebäude finden die maßstäblich unterschiedlichen Bauformen Villa und Beton-Geschossbau zu einem proportionalen Ganzen zusammen. Den Architekten gelingt es, den einfachen Beton und das ruinös Prunkvolle der Villa zu einer geradezu typisch mexikanischen Ästhetik der Gegensätze zu verbinden.
Francisco Pardo hat in New York studiert und für seine Architektur nicht nur mexikanische Preise erhalten. Havre 77 ist zwar kein sozialer Wohnungsbau, bildet aber doch eine Tendenz der mexikanischen Architekturproduktion ab. Bei der prozesshaften Weiterentwicklung von Stadtvierteln und Wohngebieten steht der behutsame Umgang mit dem vorgefundenen Kontext im Mittelpunkt – darin unterscheidet sich diese Architektur von den Privatrefugien der Reichen. (dd)
Fotos: Diana Arnau
Zum Thema:
Über soziales Bauen in Mexiko berichtet die Baunetzwoche #459.
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