Zu den heiklen Herausforderungen eines Architekten zählt es, sich der gestalterischen Konzepte weit entfernter Kulturen zu bedienen. Das Abrutschen ins Kitschige, Plakative oder Klischeehafte ist eine permanente Gefahr, ebenso wie die Angemessenheit der ästhetischen Translokation zumindest potenziell immer in Frage steht. Gerade Letzteres ist auch beim Gästehaus Falkenstein virulent, das Charles de Picciotto aus Hamburg in einem gehobenen Stadtviertel am westlichen Rand der Hansestadt realisiert hat. Das Gästehaus entstand auf dem Nachbargrundstück neben dem eigentlichen Wohnhaus des Bauherren, der – als das Grundstück zur Disposition stand – die Gelegenheit beim Schopfe packte und seinem intensiven Interesse an Japan freien Lauf ließ.
Offensichtlich ist das Haus nicht ohne den Kontext des Gartens zu denken. Und in der Tat war es der Landschaftsarchitekt Reiner Mertins, der den Auftrag akquirierte und dann im zweiten Schritt De Picciotto hinzuzog. Dieser wiederum entwarf ein Ensemble aus zwei Volumen. Ein teilweise verglastes Gästehaus und eine davon abgesetzte, völlig geschlossene Remise. Zum Einsatz kamen massives Eichenholz, raumhohe Glasscheiben, traditionelle japanische Wandschirme und – im Dachbereich – schwarzer Stahl. Das Gästehaus steht auf einer mit Holzbohlen verkleideten Bodenplatte, die direkt an den Teich stößt. Es hat drei Räume, die unter einem Satteldach liegen, alle einzeln von außen erschlossen werden und auch untereinander durch halboffene Zwischenzonen voneinander separiert sind. Sowohl diese räumliche Zonierung als auch die Details im Inneren – etwa eine abgesenkte Sitznische mit Tatami-Matten – sind sehr unmittelbar an Japan orientiert. Einen etwas anderen Weg gingen die Architekten beim Dach, das durch seine Rautenkonstruktion und die hieraus entwickelten, dreieckigen Gauben auffällt. Der Bezug ist hier weniger deutlich, aber gerade dies macht den Entwurf interessant.
Die beiden Häuser sind die baulichen Schwerpunkte innerhalb der Gartenanlage von Mertins, die sich japanischer Elemente bedient, aber nicht den Anspruch vertritt eine wie auch immer geartete Authentizität zu erreichen oder gar die philosophische Tiefe einer traditionellen japanischen Gartenanlage zu haben. Denn dafür war die kulturelle und klimatische Distanz zu Japan dann doch zu groß. Vielmehr ging es darum, auf der Basis avancierter Technik einen See mit künstlichem Wasserfall und diverse Pflanzen in das bestehende Grundstück zu integrieren und dieses in eine japanisch anmutende Szenerie zu überführen.
Das Ganze ist artifiziell und exklusiv zugleich, perfekt in der Ausführung, das Produkt der Vorlieben eines reichen Unternehmers für japanische Philosophie und Kultur. Interessant ist das Projekt dabei nicht zuletzt deswegen, weil es den Architekten gelang, auf souveräne Art und Weise mit der vom Bauherren geschätzten Ästhetik Japans umzugehen und diese fruchtbar zu machen, ohne dass ein oberflächliches Theming entstanden wäre. Diese gekonnte Bezugnahme erstaunt auch deshalb, da De Picciotto bisher nicht als Entwerfer japanisch inspirierter Projekte aufgefallen ist. Sein Arbeitsschwerpunkt sind eigentlich denkmalgerechte Sanierungen alter Hamburger Bürgerhäuser und gehobene Wohnbauten. (gh)
Fotos: Klaus Frahm
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
Jens Niemann | 30.03.2017 14:16 UhrEntwurfsverfasser
...vielleicht liegt es ja einfach daran, daß Herr de Picciotto gar nicht der eigentliche Entwurfsverfasser war? Auch bei Projekten, die in dem Büro des Inhabers entstehen, gehört es eigentlich zum guten Ton bzw. gebietet der Anstand, daß Mitarbeiter oder assozierte Architekten mit ihrem Namen im Zusammenhang eines Projekts genannt werden sollten.