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30.06.2011
Korkenzieher
Fußgängerbrücke von Perrault in Madrid
Madrid ist gefühlt die trockenste Metropole Europas. Das liegt nicht nur an ihrer geographischen Lage auf der Hochebene Kastiliens, der Meseta, sondern auch an den wenigen zugänglichen Wasserflächen der Stadt, von denen der rechteckige „Estanque-Teich“ im Retiro-Park wohl die prominenteste und größte ist. Würden die Stadtputzmänner nicht allnächtlich die Straßen absprühen – Madrid versänke im Sommer in einer einzigen Staubwolke.
Doch seit diesem Frühjahr ist alles anders. Hatte die wochenlange Belagerung der Puerta del Sol durch die aufgebrachte Jugend die Stadt innerlich aufgewühlt, so sorgte das größte Infrastrukturprojekt der iberischen Halbinsel, die Untertunnelung der Schnellstraße M30, für die entscheidende morphologische Veränderung. Damit ist eine der massivsten städtebaulichen Barrieren gefallen, die die Stadt bisher von ihrer wichtigsten Wasserader buchstäblich „abschnitt“: vom Ufer des Flusses Manazanares, der westlich entlang des Stadtezentrums verläuft.
Das über vier Milliarden Euro schwere Projekt „Madrid Río“ (siehe dazu auch BauNetz-Meldung vom 27. April 2011) umfasst nicht nur die Anlage eines neuen, acht Kilometer langen Parks am Manzanares-Ufer, vielmehr wurden unter diesem Titel 56 Kilometer Autobahn und Schnellstraßen unter die Erde verlegt, 33 Brücken restauriert, 30.000 Bäume sowie fast eine halbe Million Büsche gepflanzt. Landmarke des im Rahmen eines Wettbewerbs von der Architektengruppe M-Rio (Madrid) gemeinsam mit West 8 (Rotterdam) gestalteten Parks ist ein Fußgängerbrücke nach dem Entwurf von Dominique Perrault (Paris), der diese im Direktauftrag der Stadt realisierte.
Perrault macht bei der Brücke das, was er am besten kann: mit großer Geste ein städtebaulich fast schon abstraktes Zeichen setzen. Im Falle seines ersten Ingenieurbauprojekts ist dies eine spiralförmige Doppelbrücke, die die beiden Stadtteile Arganzuela und Carabanchel über die neuen Flussufer hinweg miteinander verbindet. Im Flusslauf zwischen der historischen Toledo- und der jüngeren Praga-Brücke positioniert, erinnert die Konstruktion an einen überdimensionierten, ganz leicht geknickten Bohrstab, der wie selbstverständlich knapp über dem Park zu schweben scheint.
Die maßstabssprengende Konstruktion ist ingenieurtechnisch besonders clever: Die beiden „Metallbänder“, die die Brücke korkenzieherartig umwickeln, sorgen nicht nur dafür, dass die Brücke selbsttragend ausgesteift wird, sie schaffen gleichzeitig einen sonnengeschützten Innenraum. Darin gibt es zwei Laufspuren, die mit ein paar Stufen – oder Bänken – von einander getrennt sind. Die an den äußeren Enden konisch zulaufende Konstruktion misst in der Mitte zwölf, an den Enden fünf Meter im Durchmesser. Und damit man nicht nur über, sondern endlich auch an den Fluss gelangt, ist an der höchsten Stelle der Zugang zum Park. (cv)
Zum Thema:
Eine weitere spektakuläre Fußgängerbrücke finden Sie auf Designlines.
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