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05.10.2018

Der Junge für’s Alte

Fünf Fragen an den neuen Berliner Landeskonservator Christoph Rauhut


Er ist 34 Jahre jung, wohnt in Neukölln und finanziert seine Bücher über Crowdfunding. Doch Habitus und Auftreten Christoph Rauhuts passen zum neuen Job. Zum 1. Oktober hat der gebürtige Essener die Nachfolge von Jörg Haspel als Berliner Landeskonservator und Direktor des Landesdenkmalamtes angetreten. Rauhut ist Architekt, hat an der ETH Zürich gearbeitet und dort zur „Praxis der Baustelle um 1900“ promoviert. Seine Berufung ist eine überraschend frische Personalie im Bereich der Denkmalpflege. Gestern wurde er in einer gut besuchten Veranstaltung offiziell eingeführt. BauNetz sprach mit Rauhut über seine Ideen für Berlin.

Von Gregor Harbusch

Herr Rauhut, Sie sind jung und haben keine Ochsentour durch die Verwaltung hinter sich. Das klingt nach viel frischem Wind. Welche neuen Impulse darf die institutionalisierte Denkmalpflege von Ihnen erwarten?
Ich bin zwar neu in der institutionalisierten Denkmalpflege, aber nicht neu in der Denkmalpflege. Insofern darf diese sich Impulse von jemandem erwarten, der schon mit vielen Partnern in der Denkmalpflege zusammengearbeitet hat. Ich möchte das Engagement in die Breite ausweiten, neue Partner für die Denkmalpflege gewinnen, alte Partner reaktivieren und damit der Denkmalpflege neues Selbstbewusstsein geben. Die Arbeit, die wir machen, ist hervorragend – aber wir müssen mehr darüber sprechen! Ich denke zum Beispiel an Vermittlungsarbeit mit Kindern und Schülern oder – ganz konkret – an das Berliner Zentrum für Industriekultur, das sich um Themen der Stadtkultur kümmert. All die verschiedenen Institutionen, die sich mit Denkmalen beschäftigen, möchte ich gerne noch enger zusammenbinden und das Landesdenkmalamt als zentralen Diskussionsort für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Denkmale und der Stadt Berlin etablieren.

Sie haben als Referent beim Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz die Aktivitäten zum Europäischen Kulturerbejahr ECHY 2018 koordiniert, das unter dem Motto „Sharing Heritage“ stand. Wie sehen Sie diese denkmalpolitische Orientierung?
Das Europäische Kulturerbejahr hat mich sehr stark geprägt, auch die vielen Diskussionen, die wir um die Ausrichtung des Jahres hatten. Meines Erachtens haben diese Debatten sehr klar gezeigt, dass es ein Bedürfnis für eine intensivere Teilhabe am kulturellen Erbe gibt. Diese Aufforderung ist letztlich auch durch die Politik über das ECHY an die Denkmalpflege herangetragen worden. Das müssen wir aufgreifen. Das ECHY sehe ich also als Kommunikationsaufforderung an die institutionalisierte Denkmalpflege. Denn „Sharing Heritage“ meint eine breit aufgefasste Vermittlung, also Partizipation und Erklären. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der man frontal vermittelt. Vielmehr müssen uns wir uns auch für andere öffnen – und von anderen lernen.

Berlin wächst, der Nutzungsdruck ist groß, die Mieten steigen rasant, überall soll gebaut und verdichtet werden. Welchen Stand hat die Berliner Denkmalpflege in diesem Kontext, gerade wenn es um die Interessen mächtiger Investoren geht?

Die Situation ist fordernd, das habe ich in meinen ersten Wochen hier bereits gelernt. Aber ich glaube, dass wir derzeit einen guten Stand haben, auch deshalb, da es trotz Investorendruck viele gute Beispiele gibt, bei denen sich Denkmalschutz und Stadtentwicklung vertragen oder sogar komplementieren. In der Berliner Stadtentwicklung gibt es ein Verständnis für die Anliegen des Denkmalschutzes. Wir haben dort Partner, die uns in den Planungen im Dialog berücksichtigen – das ist natürlich sehr wichtig. Aus meiner Sicht ist es derzeit essenziell, dass wir die Kapazitäten erweitern, um auf Anfragen und Projekte rechtzeitig reagieren zu können. Mehr Kapazitäten für den Denkmalschutz bedeutet dabei nicht „mehr Denkmalschutz“, sondern kann auch heißen, dass man durch effizientere Abläufe weniger „Probleme“ mit dem Denkmalschutz hat.

Mit der kürzlich abgeschlossenen Sanierung von Ludwig Leos Umlauftank wurde eine Ikone der Spätmoderne vorbildlich reaktiviert. Ein denkmalpflegeriches Pionierprojekt, das den Blick auf die aktuell heiß diskutierten Bauten dieser Zeit wirft – Stichwort „Big Beautiful Buildings“ und „SOS Brutalism“. Wie beurteilen sie die baulichen Hinterlassenschaften dieser Zeit in Berlin, etwa das ICC?
Zunächst einmal: Ich finde „Big Beautiful Buildings“ als Begriff sehr viel besser, weil hier im positiven Sinne für diese Denkmale geworben wird. Wir haben in den letzten Jahren in der Fachöffentlichkeit sehr viel erreicht, aber jetzt steht der Schritt an, noch viel stärker in der allgemeinen Öffentlichkeit für eine positive Rezeption dieser Bauten zu werben. Wir haben gerade in Berlin sehr gute Beispiele, etwa die Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße von Georg Heinrichs, die letztes Jahr unter Denkmalschutz gestellt wurde – ein riesiges Gebäude, das als Denkmal sehr beliebt und anerkannt ist, auch von der Degewo, der das Haus gehört. Die Schlangenbader Straße zeigt auch, dass die besondere Herausforderung der Nachkriegsbauten ist, dass es sich oft um sehr große Objekte handelt. Wir müssen die Vorbehalte abbauen, auch solch große Objekte unter Denkmalschutz zu stellen. Damit wären wir beim ICC und wieder beim Stichwort „wachsende Stadt“. Ich gehe davon aus, dass Berlin auch in Zukunft weitere Kongressflächen braucht. Insofern sehe ich eine Perspektive für das ICC.

Lassen Sie uns abschließend über die St. Hedwigs-Kathedrale und den Checkpoint Charlie sprechen. Hier scheint der Berliner Denkmalschutz verloren zu haben. Sehen Sie noch Chancen, den herausragenden Umbau der Kathedrale durch Hans Schwippert und die spezifischen stadträumlichen Charakteristika der berühmtesten Grenzübergangsstelle des Kalten Kriegs zu erhalten?
Durch einen neuen Landeskonservator tritt in schwierigen Denkmalfällen nun keine ganz andere Situation ein. Aber insbesondere in Hinblick auf den Checkpoint Charlie sind wir in einem guten Diskussionsprozess. Das Gelände wurde im Sommer im Zuge einer Erweiterung des Denkmals Berliner Mauer unter Schutz gestellt. Als Grundlage für die weitere Planung zur Gestaltung des Platzraumes und der Bebauung wurden dann durch ein sogenanntes Obergutachtergremium, an dem Investoren, Stadtentwicklung, und auch die Denkmalpflege beratend beteiligt waren, Empfehlungen formuliert. Teil dieser Empfehlungen ist die Absicht, wesentliche Spezifika dieses historisch bedeutsamen Ortes auch in der Zukunft zu erhalten, so zum Beispiel die Brandwände und den Blick auf diese.


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Christoph Rauhut ist seit dem 1. Oktober neuer Berliner Landeskonservator.

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Autobahnüberführung in der Schlangenbader Straße in Berlin-Wilmersdorf

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Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte

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