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30.08.2017
Licht ins Dunkel bringen
Fünf Fragen an Leni Schwendinger
Leni Schwendinger ist Lichtplanerin. Mit ihrem Büro NightSeeing in New York hat sie sich auf die nächtliche Stadt spezialisiert. Andres F. Ramirez und Lea Ouardi haben sie Ende Juni auf der Konferenz ReSITE in Prag bei ihrem LightWalk durch die Dämmerung der tschechischen Hauptstadt begleitet.
Frau Schwendinger, was ist nighttime design und warum brauchen wir es in der Stadtplanung?
Die nächtliche Stadt ist ein besonderer Zustand. Die Aktivitäten unterscheiden sich von denen am Tag, weil der Charakter des öffentlichen Raumes nachts ein anderer ist. Straßen und Plätze werden eher für die Nutzung im Tageslicht geplant. Die Diziplin nighttime design beschäftigt sich mit der Zeit nach dem Sonnenuntergang, denn auch in der Dunkelheit ist ja in den Stadtvierteln viel los: Theaterveranstaltungen, Clubbesuche, Joggingrunden im Morgengrauen. Während die Stadtplaner einladende, heterogene öffentliche Räume für eine vielfältige Tagesnutzung schaffen wollen, möchte nighttime design die Bevölkerung zur nächtlichen Nutzung dieser Orte animieren.
Man denkt als erstes an Aspekte der Sicherheit.
Die Sicherheit ist natürlich ein wichtiger Bestandteil der Planung. Dass die Fahrzeuge die Fußgänger besser sehen, die Menschen physische Hindernisse oder das Stadtmobiliar besser erkennen, dass sich ältere Menschen allgemein besser orientieren können. Vor allem geht es aber darum, die Menschen überhaupt mehr auf die Straßen zu bringen. Das ist wichtig für unsere physische und mentale Gesundheit. In vielen warmen Ländern sind die kühleren, nächtlichen Stunden die beste Zeit, sich draußen aufzuhalten. Deshalb verdient dieser Zeitraum mehr Beachtung und gute Ideen bei der Gestaltung der Städte.
Geht es dabei auch um technologische Entwicklungen?
Technologie spielt eine wichtige Rolle. Heute werden Pilotprojekte und Prototypen im öffentlichen Raum sehr geschätzt und sogar erwartet – von der temporären Kunstinstallation bis zur Umleitung des Verkehrs. Dies erfordert neue Lichttechnologien, aber auch neue Raumkonzepte und nicht zuletzt qualitative Forschung. Eines meiner Ziele ist die Verbindung öffentlicher und privater Lichtquellen, wie etwa Schaufenster und Werbetafeln, zu einem sensorgesteuerten Netzwerk. Dieses kann dann bedarfsgesteuert an wechselnde Kriterien angepasst werden. Das Ergebnis wäre eine ganzheitliche Lichtstrategie, die die technischen, sozialen und planerischen Aspekte der Nacht verbindet.
Die Menschen haben nachts verschiedene Lichtbedürfnisse. Wie gehen Sie damit um?
Durch unsere qualitative Forschung an öffentlichen Orten haben wir ein besseres Verständnis davon bekommen, wie Menschen ihre Städte in der Nacht nutzen. Zuerst geht es darum zu akzeptieren, dass nighttime design in erster Linie für die Bewohner gemacht ist. Daher spielen inzwischen auch partizipative Methoden eine Rolle. In Cartagena haben wir zum Beispiel gemeinsam mit der Bevölkerung ein neues Straßenlichtkonzept entwickelt, das sich aus den lokalen Gegebenheiten ableitet. Unsere Ausgangsfrage lautet: Wie kann Licht zu einer besseren Gemeinschaft beitragen? Lichtbedürfnisse und -wünsche sind schwer zu beschreiben und zu zeichnen, dazu bedarf es spielerischer Methoden, mitunter sogar einer neuen Sprache. Seit langem organisiere ich in vielen Städten nächtliche LightWalks in kleinen Gruppen, um die Stadt und ihre verschiedenen Nuancen und Schattierungen des Lichts zu erforschen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden?
Sydney und London haben mittlerweile nighttime-basierte soziale, ökonomische und infrastrukturelle Programme eingeführt. Die Stadt ist ein wichtiger Partner für die Durchsetzung der Lichtprojekte, da sie für die Verkehrssicherheit verantwortlich ist. Ich würde mir wünschen, dass mehr lokale Behörden überhaupt mit Lichtdesignern zusammenarbeiten, um das Potential öffentlicher Orte zu erforschen. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der qualitative Forschung, technische Designkenntnisse und die nötigen staatlichen Leitlinien zusammenbringt. Lichtdesign kann nicht nur bestehende Nutzungen unterstützen, sondern bietet vor allem auch Raum für Entwicklungen in Bezirken und Nachbarschaften. Die Auswirkung nächtlicher Beleuchtung auf eine 24/7- Wirtschaft ist noch viel zu wenig bekannt. Die Hälfte des Tages verschwinden unsere Städte in der Dunkelheit. Gut geplantes nighttime design beeinflusst die Art, wie wir unsere Stadt benutzen, wie wir uns in ihnen bewegen und fühlen.
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