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22.10.2015
Wohnungsfrage
Fünf Antworten von Jesko Fezer
Heute Abend eröffnet im Haus der Kulturen der Welt die Ausstellung „Wohnungsfrage“. Jesko Fezer, Architekt und einer der vier Kuratoren, hat uns vorab fünf Fragen beantwortet.
Von Jeanette Kunsmann
Jesko Fezer, 2013 sind Sie in die Ritterstraße 50 eingezogen – wie wohnt es sich in einer Baugruppe?
Super. So gut, wie es in einem Haus mit netten Nachbarn, mit denen man es auch zusammen geplant hat und mit denen man es weiter gestaltet, nur sein kann. Als einer der Architekten des Hauses bin ich für eine sinnvolle Evaluation natürlich zu voreingenommen.
Welche alternativen Wohnmodelle zur klassischen Mietwohnung, Eigenheim und Baugruppe gibt es denn sonst? Welche Experimente aus Japan können auch bei uns in Europa realistische Wohnformen werden?
Wohnen ist in der Tat immer auch eine ökonomische Angelegenheit: Man muss es sich eben leisten können. Ebenso, wie es völlig überteuerte Mietwohnungen gibt, kann es auch günstiges selbstgebautes Eigentum geben. Zwischenformen wie Genossenschaften oder Mieterinitiativen bringen wiederum spezifische Vorteile und Probleme mit sich. Man sollte in all diesen Feldern erfinderisch sein und sich mit Finanzierungsformen, Organisationsstrukturen aber auch Wohnungsgrößen und -normen und anderen Formen des Zusammenlebens befassen. Auch wenn es wenig realistisch wäre, der Blick über die Grenzen der eigenen Stadt lohnt immer.
In München hat Matthias Lilienthal vergangenen Monat mit den „Shabbyshabby Apartments“ auf die Wohnungsnot aufmerksam gemacht. Auch im Rahmen der Wohnungsfrage werden 1:1 Wohnmodelle entstehen – kann in diesen auch gewohnt werden?
Die Wohnungsfrage-Modelle im HKW sind nicht zum Wohnen. Man kann ja in einem Museum gar nicht wohnen, in dem Sinne, dass das Wohnen eine fundamental soziale Aktivität ist, die über das schlichte Rumsitzen und Übernachten weit hinaus geht. Der Bezug unserer Modelle zur Wohn-Wirklichkeit liegt vielmehr in der Zusammenarbeit von Architekten mit ausgewählten städtischen Initiativen aus Berlin, deren Expertise und Erfahrungswissen zum Ausgangspunkt der gestalterischen Auseinandersetzung gemacht wurde. In der Ausstellung bilden vier 1:1 Wohnungen gemeinsam mit vielen weiteren künstlerischen Projekten Raum, Anlass und Inhalt für eine Auseinandersetzung.
Verändern Phänomene wie Airbnb den Wohnungsmarkt oder das Wohnen generell? Manche können sich auf diese Weise eine bessere Wohnung leisten.
Airbnb und andere Phänomene der Kommerzialisierung von Freundschaft sollte man als das bezeichnen, was sie sind: effektive Distributionsformen, die eine Intensivierung der ökonomischen Verwertung von Wohnraum ermöglichen. Sie sind daher Teil des Problems und nicht der Lösung.
Grands Ensembles, Plattenbau oder Gropiusstadt: Der soziale Wohnungsbau gilt als gescheitert – wie kann man sein Image ändern? In Frankreich sind in den letzten Jahren ja eine ganze Reihe positiver Bespiele entstanden.
Ich glaube, dass sein Image gar nicht so schlecht ist. Er ist nur nicht sozial. Und das wäre interessant: Endlich einen langfristig kostengünstigen und gemeinwohlorientierten und damit zugänglichen Wohnungsbau zu schaffen. Er müsste aber gleichzeitig sozial im Sinne von gemeinschaftsorientiert, auf eine offene Stadtgesellschaft mit unterschiedlichen Lebens- und Wohnkonzepten bezogen sein. Er müsste Beteiligung und Selbstbestimmung ermöglichen. Ich sehe da weniger ein Imageproblem als den fehlenden Willen, eine Wohnraumversorgung ohne Paternalismus zu schaffen. Das wär mal was Neues.
„Wohnungsfrage“ ist das Eröffnungsprojekt von „100 Jahre Gegenwart“. Zur Ausstellungseröffnung heute Abend um 19 Uhr sprechen neben Jesko Fezer die Kuratoren Hila Peleg, Nikolaus Hirsch und Wilfried Kuehn sowie Bernd Scherer (Intendant HKW). BauNetz ist Medienpartner des HKW-Projekts Wohnungsfrage.
Eröffnungsprogramm: Freitag, 23. Oktober, 14-22 Uhr
und Samstag, 24. Oktober, 14-22 Uhr
Ausstellung: 23. Oktober bis 14. Dezember 2015
Ort: Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin
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Jesko Fezer, Foto: Eva Lechner
Assemble: Teilwohnung, 2015, 1:1-Modell, Foto: Jens Liebchen / Haus der Kulturen der Welt
Atelier Bow-Wow, Urban Forest, 2015, 1:1-Modell, Foto: Jens Liebchen / Haus der Kulturen der Welt
1:1-Model Urban Forest, 2015, © Atelier Bow-Wow