Coronabedingt musste die Zeremonie im letzten Jahr ausfallen, nun wurde der Friedrich Kiesler-Preis eben 2021 verliehen – und damit zum ersten Mal seit 1998 nicht im zwei-, sondern ausnahmsweise dreijährigen Rhythmus. Der Preis ist mit 55.000 Euro dotiert und wird alternierend von der Republik Österreich und der Stadt Wien verliehen. Die internationale Jury hat sich dieses Jahr für den amerikanischen Künstler und Aktivisten Theaster Gates entschieden und damit einmal mehr einen würdigen Preisträger gefunden, der die gesuchten „hervorragenden Leistungen“ an der Schnittfläche von Architektur und Kunst im Sinne Friedrich Kieslers erbracht hat.
Gates wurde 1973 in Chicago geboren. Sein Lebenslauf ist ungewöhnlich: Als Kind eines Dachdeckers und einer Lehrerin war er in Chicago schon früh in Stadtteilgruppen und im Gospel-Chor der Baptistengemeinde seiner Eltern aktiv. Er studierte an der Iowa State University die hübsche Kombination Stadtplanung und Keramik. Es folgten Auslandsaufenthalte – ein Jahr in Japan, ein weiteres in Kapstadt –, wo er Kunst und Religion studierte. Nach Chicago zurückgekehrt, entwickelte er rasch einen sozial-aktivistischen Ansatz mit seiner Kunst, organisierte Ausstellungen, Performances, Filmvorführungen und Töpferkurse.
Bekannt wurde er ab 2009 mit der Rebuild Foundation, einer Non-Profit-Organisation, die Industrieruinen vor allem in Chicagos South Side reaktiviert und in temporäre oder dauerhafte Kulturorte für die jeweilige Nachbarschaft transformiert. So enstanden das „Dorchester Art + Housing Collaborative“ als kollektives Wohnhaus für lokale Künstler, die „Stony Island Arts Bank“ als multifunktionaler Veranstaltungsort, das „Black Cinema House“, der „Black Artists Retreat“, das „Archive House“ oder das „Listening House“.
Gates’ eigene Arbeiten wurden international ausgestellt. Für die 13. Documenta restaurierte er mit Arbeitslosen aus Chicago und Kassel das historische „Hugenottenhaus“. Gates ist außerdem Mitglied der experimentellen Gospel-Gruppe „Black Monks of Mississippi“, mit denen er „pretty cool music“ (Gates) macht – oft als Performance in Museen oder Galerien.
Zur Jury des Kiesler-Preises gehörten in diesem Jahr Elizabeth Diller (Diller Scofidio und Renfro), Bettina Götz (Artec), Dominique Gonzalez-Foerster, Anab Jain (Superflux) und Wolfgang Tschapeller. Die Jury begründete ihre Wahl so: „Mit Theaster Gates würdigt die Kiesler Preis-Jury einen Konzeptkünstler, der nicht innerhalb des etablierten Systems der Architektur und der Kunstwelt agiert, sondern durch eine sehr ungewöhnliche und eigenwillige Praxis zu Handlungsmacht gefunden hat. Das wichtigste Ziel seiner Arbeit ist sozialer Wandel, räumliche Transformation und Ermächtigung. Indem er seine Arbeit sowohl mit einem beeindruckenden ästhetischen Wert als auch mit einer sozialen Agenda ausstattet, hat er für die heutige Architektur eine sinnstiftende Rolle gefunden. So verbindet er die historische Position Friedrich Kieslers mit den drängenden Fragen unserer Zeit.“
Für Andrea Mayer, österreichische Kunst- und Kulturstaatssekretärin, bewegt sich Gates „meisterlich an der Schnittstelle von Architektur, Raumentwicklung und Kunst“ und sei „ein Vorbild für alle, die in diesem Bereich tätig sind.“ Gates reiht sich in die illustre Reihe der bisherigen Kiesler-Preisträger*innen, zu denen unter anderem Frank Gehry (1998), Cedric Price (2002), Asymptote (2004), Ólafur Elíasson (2006), Toyo Ito (2008), Andrea Zittel (2012), Andrés Jaque (2016) und zuletzt Yona Friedman (2018) gehören. Die offizielle Preisverleihung soll im Spätherbst 2021 in Wien stattfinden. (fh)
Zum Thema:
www.kiesler.org
www.theastergates.com
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schlawuki | 15.09.2021 16:10 Uhrfriedrich
jetzt muss man natürlich wissen das der friedrich kiesler ein ganz visionärer österreichischer architekt war.
und der ganz zu unrecht irgendwie nie etwas bauen durfte und auch nie so medienpräsent wie hollein & co war.
umso mehr ist es ehrenhaft das sein name in so einem wunderbaren preis weiter leuchtet.
danke friedrich.
danke baunetz