Von Annika Wind
Nein, ewig halten sollte sie wohl nie, diese Multihalle in Mannheim. Als bei der Bundesgartenschau 1975 unter ihrer Plastikhaut Blumenschauen, Shows und Fernsehsendungen über die Bühne gingen, war eigentlich klar, dass sie nur temporär gedacht war und man sie ständig instand halten müsste – oder eines Tages abreißen. Das Ende der kühnen Konstruktion wäre also keine Überraschung. Aber ein herber Verlust: Der Mannheimer Gemeinderat hat in der letzten Woche beschlossen, das Kulturdenkmal von Frei Otto beseitigen zu lassen, sollten sich bis Ende 2017 keine privaten Sponsoren oder Bundes- bzw. Landesmittel für eine Sanierung finden.
Damit gäbe die Stadt nicht nur das Werk eines Pritzker-Preisträgers auf. Der Abriss wäre auch das Armutszeugnis ideenloser Lokalpolitik: Lange Zeit war die Multihalle im Herzogenriedpark als „überdachter Marktplatz“ für Flohmärkte, Messen und Partei-Kundgebungen genutzt worden. Bis die Kunststoffhaut der weltweit größten freitragenden Holzgitterschalen-Konstruktion undicht und spröde wurde, durch das eindringende Wasser die Holzträger aufweichten und das Ausdünsten der Weichmacher die Folie schrumpfen und die Tragkonstruktion verformen ließ. Statt neuer Nutzungskonzepte spendierte die Stadtspitze nur weitere provisorische Stützpfeiler und sperrte immer größere Teile des Areals ab.
Dabei war die 10.000 Quadratmeter große Multihalle 1975 noch als „Wunder von Mannheim“ gefeiert worden – freilich nicht nur auf Lokalebene. Carlfried Mutschler, Joachim Langner und ihr damals mit dem Bau des Münchner Olympiastadions beschäftigter Kollege Frei Otto hatten eine riesige, freigespannte Konstruktion entwickelt, die sich von oben betrachtet wie eine amorphe Hügellandschaft durch den Park zieht. Unter der wabernden, zuletzt 1981 ausgetauschten Plastikhaut geht es über Rampen und Treppen, von denen aus man immer wieder neue Perspektiven in den Park bekommt. Innen und Außen verschmelzen. Reizvolle Ausblicke, die es allerdings 2018 schon nicht mehr geben könnte, sollten bis dahin keine Sponsoren- oder Fördergelder aufgetrieben werden. Denn investieren will die Stadt aus ihrer eigenen Kasse nicht. Vertreter verschiedener Architektenverbände, darunter die Architektenkammer, der Bund Deutscher Baumeister oder der Architekten- und Ingenieurverein Mannheim haben nun in einem Offenen Brief für den Erhalt plädiert, Nutzungsvorschläge gemacht und angeregt, den Titel als Unesco-Weltkulturerbe zu beantragen. „Universeller Wert, Einzigartigkeit, Authentizität“ – das alles sei bei der Multihalle gegeben. Zudem hat die Architektenkammer Baden-Württemberg inzwischen bekannt gegeben, 10.000 Euro für den Erhalt zu spenden. Sie sollen einem noch zu gründenden Förderverein als Startkapital dienen. Und dennoch: Gebrauchen könnte das „Mannheimer Wunder“ ein ebensolches wohl gerade selbst.
Zum Thema:
Be experimental! Be radical! Be Frei! Die uncube-Ausgabe zu Frei Otto
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
3
solong | 23.06.2016 11:27 Uhr...schön...traurig...
...schön das die multihalle gut 40 jahre überdauert hat ... sollte sie doch nur der buga dienen ... 40 jahre für ein temporäres bauwerk ... sind ja schon ein wort ... zu erwähnen sei noch, dass die konstruktion erst durch die "rechenkünste" von dem legendärem ove arup baubar wurde ... deshalb sollten nicht nur die BAK sondern auch die BingK intervenieren ... enstanden sind diese ... freien gebäude ... als die gesellschaft in aufbruchstimmung und freizügigkeit war ... schade das dass schon solange vorbei ist ...