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11.03.2015

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Ich habe nie etwas getan, um diesen Preis zu erhalten

Frei Otto posthum mit Pritzker-Preis 2015 geehrt


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Von Jeanette Kunsmann

So eine Nachricht gab es noch nie. Am 9. März ist Frei Paul Otto verstorben. Einen Tag später – aber zwei Wochen früher als geplant – gibt das Pritzker-Preiskomitee seine Wahl für dieses Jahr bekannt und beehrt den 89-jährigen Architekten posthum. Selten schafft ein Architekt es innerhalb weniger Stunden in alle großen nationalen und internationalen Tageszeitungen, Magazine und in die Tagesschau. Selten liegen Trauer und Freude so nah beieinander. Die Artikel lesen sich als eine Mischung aus Nachruf und Laudatio. „Frei Otto ist tot“, titeln die einen – „Pritzker-Preis für Frei Otto“ die anderen.

Frei Otto hat der Welt die Leichtigkeit geschenkt. Er hat als Architekt die komplexen Tragwerkberechnungen der Ingenieure in die Baukunst gebracht, mit einer Hingabe und Selbstverständlichkeit, wie sie kaum ein anderer hatte. Seine berühmten Dachkonstruktionen wie das Sternwellenzelt im Kölner Tanzbrunnen (1957), die Seilnetzdächer für die Überdachung des Behnisch-Entwurfs auf dem Olympiagelände in München (1972) oder der deutsche Pavillon für die Weltausstellung in Montreal (1967) waren zu ihrer Zeit Utopien und sind heute elementare Architekturgeschichte. Sein Bühnendach aus umgedrehten Schirmkonstruktionen für die Pink Floyd-Tour 1977 ist gebaute Musik. Frei Otto, der seinen Vornamen auf Wunsch seiner Mutter bekam, denn es war ihr Lebensmotto, ist der Pionier des leichten Flächentragwerks.

Bereits 1954 erschien seine Dissertation „Das hängende Dach“, in der er die Bautechnik zugbeanspruchter Flächentragwerke darstellte. Als Freund und Schüler von Mies van der Rohe wurde er kurze Zeit später selbst Hochschullehrer. 1961 gründete er an der Technischen Hochschule Berlin die Forschungsgruppe „Biologie und Bauen“. 1964 folgte das Institut für Leichte Flächentragwerke (IL) an der Technischen Hochschule Stuttgart, das seit 1994 als Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) von Werner Sobek weitergeführt wird.

Der Pritzker Architecture Prize 2015 an Frei Otto kommt spät – zu spät. Bereits vor neun Jahren wurde er mit dem Praemium Imperiale geehrt: „Frei Otto erlangte weltweit Berühmtheit für sein Architekturideal einer umweltverträglichen, anpassungsfähigen Bauweise“, würdigte man 2006 sein Lebenswerk. Ein Jahr zuvor ehrte die RIBA ihn mit ihrer begehrten Goldmedaille. Auf der Architekturbiennale erhielt Frei Otto im Spätsommer 2000 den Ehrenpreis, während man ihn in Berlin schon 1967 – also noch vor dem Olympiadach – mit dem Preis für Baukunst ausgezeichnet hat.

Die zehnköpfige Pritzker-Preisjury um Richard Rogers, Alejandro Aravena und Kristin Feireiss begründet ihre diesjährige Entscheidung unter anderem mit folgenden Worten: „Frei Otto ist nicht nur Architekt, sondern auch Forscher, Erfinder, Form-Finder, Ingenieur, Baumeister, Lehrer, Mitarbeiter, Umwelt-Aktivist, Humanist und Schöpfer unvergesslicher Gebäude und Orte gewesen.“ Das klingt ein wenig, als müsse man besonders viel Verschiedenes machen, um diesen Preis zu bekommen.

Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag am 31. Mai 2015 ist Frei Otto nun also – nach den letzten drei ausgezeichneten asiatischen Architekten Wang Shu (2012), Toyo Ito (2013) und Shigeru Ban (2014) – der 40. Pritzker-Preisträger (und mit 89 Jahren auch der ältestete, Pritzker-Preisträger sind im Schnitt laut Wikipedia 63,6 Jahre alt). Er ist damit nach Gottfried Böhm (1986) der zweite „Architekturnobelpreisträger“ aus Deutschland – und der erste, der die Auszeichnung nicht persönlich entgegen nehmen kann. Eine traurige Fügung für beide Seiten, wird der mit 100.000 Dollar dotierte Preis doch seit 1979 jährlich an lebende Architektengrößen verliehen. Die für den 15. Mai 2015 in Miami angesetzte Preisverleihung soll dennoch stattfinden. Anstelle der ursprünglich geplanten Laudatio von Frank Gehry wird man Leben und Werk von Frei Otto gedenken.

„Die Nachricht von seinem Tod ist sehr traurig“, erklärte gestern dazu Tom Pritzker, Vorsitzender der Hyatt-Stiftung, die den Preis verleiht. Ein Grund für die späte Auszeichnung könnte mitunter sein, dass Frei Ottos Bauten stets Forschungsprojekte waren, die in Kooperation mit Architektenkollegen, Ingenieuren, Künstlern und Naturwissenschaftlern entstanden sind – so zum Beispiel auch der japanische Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover, den Otto gemeinsam mit Shigeru Ban aus Papier und Textilien entwickelt hatte.
 
Nach einem Bericht der New York Times habe Frei Otto noch vor seinem Tod von seiner großen Ehrung erfahren. „Ich habe nie etwas getan, um diesen Preis zu erhalten“, soll dieser daraufhin gesagt haben. „Das Gewinnen von Preisen ist nicht mein Lebensziel. Ich versuche, armen Menschen zu helfen. Aber was soll ich sagen, ich bin sehr glücklich.“


Zum Thema:

www.pritzkerprize.com

„Luftschlösser für eine bessere Welt“ – Gerhard Matzig über Frei Otto heute in der Süddeutschen Zeitung

„Der Weltendenker aus Warmbronn“ – ein Nachruf von Nikolai B. Forstbauer in den Stuttgarter Nachrichten


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

8

solong | 13.03.2015 10:30 Uhr

holzspatel

... nichts verstanden ... in der hochzeit der leichten konstruktionen war auch die gesellschaft im aufbegehren / umbruch ... seitdem haben wir uns leider wieder ins konservative lager entwickelt ... daher hätte der preis auch nicht zu mehr aufträgen geführt ... ein architekt baut nichts was er in der gesellschaft nicht durchsetzten kann ... und form ist alles, funktion ist nichts ... hätte Frei Otto so sicher nie unterstützt ... eher ... ohne funktion ist alle form nichts ... er war halt ein großer architekt und denker und humanist ... etwas was man heute leider so gut wie garnicht mehr in einer person findet ... er hat viel bewegt und ich hoffe ... er ist in frieden gegangen ...

7

Lars k | 12.03.2015 16:26 Uhr

2014

Ist das nicht seltsam? In der Begründung der Pritzker-Jury für die Verleihung an Shigeru Ban kam Frei Otto auch schon vor:
>>Shigeru Bans großes Wissen über Struktur und seine Wertschätzung für Meister wie Mies van der Rohe und Frei Otto haben zur Entwicklung und Klarheit seiner Bauten beigetragen <<

6

DasHolzspatel | 12.03.2015 09:33 Uhr

Konstruktion als Ornament.

Nur mittels der Konstruktion Gestalt zu erzeugen...
grandios.
Sehr schade das er den Preis nicht zu seiner aktiven Zeit bekommen hat.
Da der Pritzker auch zum Teil eine Segen für die Auftragsbücher ist hätte er mehr bauen können (hätte er es gewollt?)


Bei Otto trift der Satzt
"Form ist alles, Funktion ist nichts" von Bienefeld fast zu 100%.

5

Viktor | 11.03.2015 23:29 Uhr

Die singende Herrentorte

Schon zum 75. Geburtstag im Mai 2000 ehrte das Baunetz den großen Architekten mit einem für damalige Verhältnisse umfangreichen Artikel. Bezeichnend damals der Absatz, in dem Ottos Persönlichkeit beleuchtet wurde. Wörtlich: "Otto, auch genannt die 'singende Herrentorte',...". In das Telefax mit seiner Biographie aus der Datenbank des Bertelsmann-Mutterkonzerns hatte sich eine Seite über Helge Schneider verirrt. Das Internet bestand damals noch aus Homepages und Altavista. Leider wurde der Faux-Pas am nächsten Tag gelöscht. Schade drum, denn er war wirklich ein netter Kerl, sagt man sich.

4

d.teil | 11.03.2015 22:04 Uhr

surprise

nun, eine grosse Überraschung für mich, überflüssig zu erwähnen, dass dieses hochverdient ist (man hat ja auch schon Genies links liegen lassen = Günther Behnisch.).

3

peter cachola schmal | 11.03.2015 20:34 Uhr

verdient, aber zu spät

selbstverständlich hat frei otto den pritzkerpreis verdient gehabt - vor langer zeit schon. schön, das er nun geehrt wird, und besonders schön, das martha thorne ihn persönlich vor 2 wochen besucht hat und er die ehrung noch persönlich mitbekommen hat. die jury hat es so in allerletzter sekunde geschafft, einen großen fehler wieder auszumerzen. den fehler, ihn jahrzehntelang übergangen zu haben. so wie oswald matthias ungers oder günter behnisch, um nur zwei übergangene deutsche architekten zu nennen.

sein letztes interview ist übrigens in der arch+211 think global / build social zu lesen. spannend

2

provinzarchitekt | 11.03.2015 18:50 Uhr

ein großer

wahnsinnig verdienter preis für einen der wirklich mutigen.
neben der leistung bspw. der olympiadächer 1972, geplant mit den damaligen mitteln, verblasst fast alles, was heute gedacht und gebaut wird, vor allem der ganze pseudo-visionäre unsinn.

1

Pete | 11.03.2015 18:04 Uhr

Größe

Ein großer Preis für einen Großen.

 
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Frei Otto, Montreal, 1967

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Deutscher Pavillon für die Expo 67 in Montreal

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Schirme für die Konzerttournee von Pink Floyd 1977

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Japanischer Pavillon, Frei Otto mit Shigeru Ban, Expo 2000 in Hannover

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