Als schnelllebig gilt der New Yorker Immobilienmarkt, doch manche Projekte brauchen trotzdem ihre Zeit. Bereits Anfang 2006 wurde bekannt, dass Foster + Partners direkt hinter dem Seagram-Building von Mies van der Rohe ein schlankes Wohnhochhaus planen. Doch erst jetzt, fast zehn Jahre später, wird der Bau namens 100 East 53rd Street konkret – und die Investoren machen mit schönen neuen Renderings Werbung für ihre teuren Appartments.
Was für eine Kundschaft man sich wünscht, merkt man an der Kunst, die in den virtuellen Interieurs zu sehen ist: eine Skulptur von Alexander Calder hat sich ins Foyer verirrt, Jeff Koons Popeye wartet vor dem Fenster und eine Giacometti-Figur passt sehr gut zu den Schlangenleder-Sesseln im Schlafzimmer. Auch ein Rothko über dem Bett darf da nicht fehlen. So schön kann Luxus sein, der sich beim 100 East 53rd Street bei 66 Stockwerken auf über 220 Meter verteilt. Zum Vergleich: Das Seagram-Building in unmittelbarer Nähe kommt gerade mal auf 160 Meter.
Trotzdem wäre es falsch, hier eine nachhaltige ästhetische Beeinträchtigung der vielleicht berühmtesten Architekturikone der amerikanischen Nachkriegsmoderne zu befürchten. Mit seiner hellen, fast schon ornamental gefalteten Fassade wirkt der schlanke Foster-Turm eher wie ein schlaksiger, durchaus sympathischer Verwandter des gravitätischen Mies-Baus.
Über fast 60 Jahre hinweg könnte ein spannender Bogen geschlagen werden – und das nicht nur in ästhetischer, sondern auch in ökonomischer Hinsicht. Genehmigungsfähig ist der Turm nämlich nur aufgrund der ungenutzten Luftrechte des Seagram Buildings. Letzteres gehört schließlich seit 2000 der gleichen Immobiliengruppe wie das Grundstück für den Neubau: der RFR Holding LLC des gebürtigen Frankfurter Immobilienentwicklers Aby J. Rosen. (sb)
Zum Thema:
www.100e53.com
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Kory | 30.10.2015 21:24 Uhr"Mies' weißer Schatten"
Mies würde sich vor diesem Gebäude (und Foster) gaanz tief verneigen – aber er würde sich zuerst umdrehen –
Wie recht er hätte !