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26.10.2017
Zwischen Hybris und Vernunft
Forschungszentrum in Riad von Zaha Hadid Architects
Besonders nachhaltig sieht es eigentlich nicht aus, das neue Forschungszentrum am Rand von Riad, das Zaha Hadid Architects (London) gerade fertiggestellt haben. Eher denkt man – es geht nicht anders – an ein cleanes, computergeneriertes Raumschiffwrack, wie man es in amerikanischen Blockbustern günstigerer Machart zu sehen bekommt. Dieser Eindruck mag sich jedoch auch aus der Wüstenlandschaft ergeben, die ebenfalls die Frage nach der Nachhaltigkeit kritisch aufwirft. Kann ein solch ausuferndes Gebäude angesichts des heißen Klimas tatsächlich eines der energieeffizientesten und „smartesten“ Projekte Saudi-Arabiens sein? Den Zahlen nach ja, zumindest laut der heute üblichen, in der Presseerkläung ausführlich erörterten Zertifikate. Weswegen man sagen muss: Die Architekten haben hier beim parametrischen Entwerfen wohl einiges richtig gemacht.
Auch Form und Inhalt kommen gut zusammen, denn hinter der offiziellen Abkürzung KAPSARC verbirgt sich das King Abdullah Petroleum Studies and Research Centre. Getragen von einer gemeinnützigen Stiftung forschen knapp 2.000 Mitarbeiter an Maßnahmen und Richtlinien, wie sich Energie zum Wohle der Menschheit effizienter nutzen lässt. Dass Öl als eine in Zeiten des Klimawandels ziemlich umstrittene Ressource dabei schon im Namen vorkommt? Geschenkt. Unzweifelhaft strahlt das riesige Zentrum jedoch eine gewisse Hybris aus, wie sie für den Fortschrittsglauben des Ölzeitalters typisch war.
Unter der Leitung von Patrik Schumacher wurde ein Campus von über 70.000 Quadratmetern Geschossfläche errichtet, der sich innerhalb der horizontalen Gesamtstruktur über fünf eigenständige Gebäude verteilt. Die architektonische Gestalt entstand dabei noch in Zusammenarbeit mit Zaha Hadid, denn schon seit 2009 arbeitete das Büro an dem Projekt. Für alle Ingenieursleistungen war Arup (London) verantwortlich, die Landschaftsplanung stammt von Gross.Max (Edinburgh) und die Interiors von Woods Bagot. Teil des Gesamtvorhabens ist auch ein eigenes Wohn- und Freizeitquartier für die Mitarbeiter und ihre Familien, das schon 2015 vom internationalen Großbüro HOK fertiggestellt wurde.
Wichtigstes Organisationsprinzip des Neubaus ist ein zelluläres System aus polygonalen Gebäudeteilen, die jeweils um eigene Höfe herum organisiert sind. Geschlossene und offene Bereiche wechseln sich ab, wobei eine skulpturale Dachstruktur auch zwischen den Gebäudeteilen und über dem zentralen Innenhof für Schatten sorgt. Das erklärt in gewisser Weise auch die Ausmaße des Projekts, das in nördlicheren Regionen sicherlich auch optisch in mehrere Volumen unterteilt worden wäre.
Das Haus umfasst mehrere eigenständige Institute, ein Konferenzzentrum, Ausstellungsbereiche, informelle Arbeitsumgebungen und eine Bibliothek. Als Besonderheit gibt es außerdem noch eine Musalla: ein großer Gebetsbereich, der aber auch ganz allgemein der Kontemplation offen steht.
Die Architekten sind stolz auf die energetische Performance ihrer regelmäßig-unregelmäßigen Struktur, die entsprechend des Sonnenverlaufs und der typischen Windrichtungen moduliert ist. Am Abend und in der Nacht lassen sich kühlende Winde nutzen, während sich andere Fassaden vor der brennenden Mittagssonne verschließen. Für die heißesten Tage des Jahres gibt es aber trotzdem klimatisierte unterirdische Verbindungen zwischen den einzelnen Gebäudeteilen – soviel Luxus muss in einem der ölreichsten Länder der Erde natürlich schon sein. (sb)
Fotos: Hufton+Crow
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