Am Freiburger Zentrum für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien wurde im Juli 2023 ein neuer Forschungsbau eingeweiht, der den Campus der Albert-Ludwigs-Universität bereichert. Das pavillonartige Gebäude bietet nicht nur Raum für die Entwicklung innovativer Forschungsideen, sondern kann selbst als ein Demonstrationsobjekt zukunftsweisender, disziplinübergreifender Forschung gelten.
Entstanden ist die aus zwei Schalensegmenten bestehende livMatS Biomimetic Shell in Zusammenarbeit der beiden Excellenzcluster Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC) der Universität Stuttgart und Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg. Der Entwurf der Gebäudehülle basiert auf morphologischen Prinzipien des Plattenskeletts von Seeigeln. Am Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baukonstruktion ICD und dem Institut für Tragkonstruktion und konstruktives Entwerfen ITKE der Universität Stuttgart, die beide zum Excellenzcluster IntCDC gehören, wird daran schon seit mehr als zehn Jahren geforscht.
Inspiriert von biologischen Vorbildern, entwickelten die Planer*innen eine besonders ressourcenschonende, vollständig rückbau- und wiederverwendbare Segmentschalenkonstruktion in Holzleichtbauweise. Im Vergleich mit herkömmlichen Holzkonstruktionen soll der ökologische Fußabdruck um 50 Prozent reduziert werden. Möglich wird das durch computerbasierte Planungsmethoden, robotische Vorfertigungs- und automatisierte Bauprozesse sowie neue Formen der Mensch-Maschine-Interaktion.
Standort und Ausrichtung des Neubaus wurden mithilfe digitaler Modellierung diverser Einflussfaktoren wie Sonneneinstrahlung und Geothermie gewählt. Der Baukörper ist aus zwei unterschiedlich großen Teilschalen zusammengesetzt, durch deren Höhenversprung ein großflächiges Oberlicht entsteht, das die Planer*innen „Solar Gate“ nennen. Hinter dessen Fensterscheiben befindet sich eine 4D-gedruckte, wetterresponsive Verschattungsstruktur, die auf Licht und Sonneneinstrahlung reagiert und so zur Regulierung des Innenraumklimas beitragen soll. Das Prinzip folgt dem feuchtigkeitsgesteuerten Öffnen und Schließen von Pflanzenzapfen.
Die thermisch aktivierte Bodenplatte aus Recyclingbeton kann Energie mit Hilfe eines Rohrsystems aufnehmen und speichern. Das gedämmte Holzbausystem, das durch seine gekrümmte Geometrie als formaktives Flächentragwerk wirkt, überspannt eine Grundfläche von circa 200 Quadratmetern. Es besteht aus 127 unterschiedlichen, über Kreuzverschraubungen gefügten Hohlkassetten. Das materialeffiziente Prinzip der Hohlkassette kam bereits beim BUGA Holzpavillon in Heilbronn 2019 als temporäres, offenes Bauwerk zur Anwendung. Nun wurde es in Freiburg für ein geschlossenes Gebäude mit ganzjähriger Nutzung weiterentwickelt. (uav)
Fotos: Roland Halbe, Conné van d’Grachten
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fritz | 09.09.2023 09:22 Uhr@sieben
grundlagen interessant und schön! das icd macht grundlagenforschung und schafft damit die grundladen für zukünftiges bauen. insofern hilft es für die zukuft resourcenschonender, schöner und schneller bauen kann. daher werden solche projekte auch helfen den fortschreitenden klimawandel und der wohnungsnot zu verlangsmen und so zu einer nachhaltigeren welt beitragen.