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08.12.2017

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Buchtipp: Forschungsprojekt

Forensic Architecture


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Kriege hinterlassen Spuren, transformieren dauerhaft und sichtbar die Umgebung. Die meisten der aktuellen Kriegsangriffe betreffen dabei das urbane Umfeld. Moderne Medien und Technik können Spuren von Kriegsverbrechen festhalten und Menschenrechtsverletzungen nachweisbar visualisieren. Damit befasst sich das Büro Forensic Architecture. Es ist aus dem im Jahr 2010 am Londoner Goldsmith University gegründeten Think Tank hervorgegangen und innerhalb von fünf Jahren schnell gewachsen. Forensic Architecture arbeiten investigativ und im Auftrag von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Ihr Ziel als staatsunabhängige Agentur ist es, Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen von Einzelpersonen, Staaten, Regierungen oder Unternehmen weltweit aufzuklären.

Jetzt hat der Forensic Architecture-Gründer und Leiter des Rechercheinstituts Centre for Research Architecture Eyal Weizman ein neues Buch herausgebracht. „Forensic Architecture. Violence and the Threshold of Detectability“ (deutsch: Gewalt und die Schwelle der Feststellbarkeit) heißt das Werk des israelstämmigen Architekten. Es ist die erste detaillierte Dokumentation der Forschungsagentur. Auf rund 400 Seiten beschreibt Weizman die umfangreiche interdisziplinäre Praxis der Gruppe und gewährt anhand zahlreicher Investigationsfälle Einblicke in ihre Arbeitsmethoden. Präsentiert wird das Material in Bauaufnahmen, geografischen Analysen, digitalen Modellen, Videostills und Fotos. Weizman bezeichnet seine Tätigkeit als „Archäologie des digitalen Zeitalters“.

Bei seiner Suche nach Indizien greift das Büro auf öffentlich zugängliche Informationsquellen zurück, meist Bildmaterial und Videoaufnahmen, oder auf Partnerorganisationen vor Ort. Aus dieser Sammlung filtern die Forscher Informationen heraus, die zunächst überhaupt nicht ersichtlich erscheinen und setzen sie in einer akribischen Puzzlearbeit zu einem Beweisstück zusammen. Am Ende steht meist ein Video oder eine interaktive Karte als Ergebnis. Die Gruppe begreift ihre Arbeit dabei nicht als einzelne Fälle, sondern als eine langfristig angelegte Forschung zu den Zusammenhängen von Architektur, Medien und Gewalt. Die Ergebnisse sollen regelmäßig der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sowohl online als auch in anderen Präsentationsformaten. So ist die im Buch beschriebene 3D-Rekonstruktion eines syrischen Foltergefängnisses „Sadynaya“ aktuell auf der Ausstellung „Schöne Neue Welten“ in Friedrichshafen zu sehen. Auch die Beträge von Forensic Architecture zur letzten Architekturbiennale in Venedig sind in dem Buch enthalten. 

Die Publikation beeindruckt durch ihre Informationsdichte. So beklemmend und gar schockierend der Lesestoff auch ist – das Buch trifft eine durchaus positive Aussage mit der Darstellung des kreativen und sozialorientierten Einsatzes von modernen Technologien als Gegenentwurf zu dessen Missbrauch. Es erweitert das Verständnis von Architektur: Anhand konkreter Zusammenhänge werden die Potenziale als analytisches Werkzeug und damit die politischen Möglichkeiten der Architektur aufgezeigt.

Text: Viktoriya Yeretska



Forensic Architecture. Violence at the Threshold of Detectability
Eyal Weizman
Zone Books, New York, 2017

Hardcover, 368 Seiten, 100 Abbildungen

ISBN: 9781935408864
39,95 US Dollar 


 
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