Rings um Antwerpen scheint sich der typisch belgische Einfamilienhausteppich entlang der Straßen endlos auszudehnen. Wo hinter dem Imbiss „Frieterie“ und dem Café „Las Vegas“ dann aber selbst der äußerste Vorort namens Brasschaat doch noch in echte Landschaft übergeht, liegt zwischen den Häuschen ein langgezogener Backsteinriegel aus den 1980er Jahren: Es ist eine spezielle Förderschule für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen geistigen oder körperlichen Einschränkungen. Die Schule musste dringend erweitert und räumlich aufgewertet werden; unter anderem sollte der Zugang zum rückseitigen Grünraum verbessert werden. Der Entwurf für den jüngst fertiggestellten Umbau stammt von Compagnie-O (Gent), die sich der Typologie bereits unter anderem im belgischen Lebbeke oder im Antwerpener Stadtteil Wilrijk angenommen hatten.
Trotz eines begrenzten Budgets gelang es den Architekt*innen, variantenreiche Lernräume und eine Vielfalt an unterschiedlichen Übergängen zu den Außenräumen zu schaffen. An die Rückseite des alten Backsteinbaus setzten sie mittig einen neuen, eingeschossigen Riegel mit Gruppen- und Nebenräumen, sodass sich im Grundriss eine T-Form ergibt. Der neue Riegel ist im Winkel von 15 Grad angegliedert, dadurch bilden sich Außenräume mit unterschiedlichem Charakter: auf der einen Seite ein fast geschlossener, intimer Hof, während sich das Ensemble nach Osten im Weitwinkel zu einem kleinen Wäldchen öffnet.
Der neue Riegel endet außerdem in einem von einer Pergola, zweiseitig locker umfassten kleinen Spielhof. Diese Holzpergola läuft entlang der gesamten Ostseite und wird durch eine Treppe und Rampe erschlossen. Auf der Westseite wiederum steht im Hof ein auffälliges, eiförmiges Metalldach in kräftigem Gelb, das einem Gartenpavillon ähnelt. Dass in diesem Hof der Schwerpunkt der Wegeführung durch das Gebäude liegt, zeigt auch der siebeneckige Multifunktionsraum mit seiner Fassade aus schimmernd-grünen Kacheln – Compagnie-O sprechen von einem „Dorfplatz“, wobei der Multifunktionssaal von innen wie von außen betreten werden kann.
Insgesamt können alle Gebäudeteile und Außenanlagen auf verschiedenen Routen durchquert und erschlossen werden. Die kräftigen Farben – hier ein knallgelbes Metalldach mit passenden Stützen, dort grüne Kacheln oder das kräftige Rot des Vordachs, das sich auch in den Küchen oder Trennwänden im Inneren wiederfindet – erleichtern die Orientierung. Alle Fenster sind bodentief oder jedenfalls so tief, dass auch Kinder im Rollstuhl leicht hinaus schauen können. Die Materialien sind einfach, robust und günstig, um einerseits im Budget zu bleiben und andererseits eine möglichst pflegeleichte Langlebigkeit zu garantieren.
Die innere Organisation orientiert sich an den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen. Die Räume für die jüngsten Kinder liegen weitgehend geschützt im hinteren Neubau, je zwei Gruppenräume lassen sich miteinander verbinden. Im Zentrum liegen die Klassenräume für die Grundschulkinder, im Altbau reihen sich entlang des bestehenden, langen Flurs schließlich die Lernräume für die Jugendlichen. Straßenseitig haben die Architekt*innen noch einen eingeschossigen Flügel mit Holzfassade vor den Altbau gesetzt. Das diente nicht nur dem Unterbringen der benötigten zusätzlichen Klassenräume, sondern ermöglichte auch eine vollständige Neugestaltung des Haupteingangs, der nun mit eingeschwungener Ecke und einem in Glühbirnenschrift leuchtenden „Goeie Dag“, zu Deutsch „Guten Tag“, alle Eintretenden Willkommen heißt. (fh)
Fotos: Tim Van de Velde
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peter | 21.06.2023 23:15 Uhrsehr cool,
aber es wird nicht sehr cool altern.
die vorbesitzer unseres hauses haben von den details her fast exakt dieselbe glasfassade gebaut wie hier in bild 7 (holz-fassadenprofile ohne dachüberstand) - das ist nun, gerade mal 12 jahre später, alles quasi abbruchreif.