Beim ersten Blick auf die von a+r Achitekten (Stuttgart/Tübingen) entworfene Firmenzentrale in Stuttgart würde man diese nicht unbedingt mitten in einem Gewerbegebiet vermuten. In einer Umgebung aus Containerarchitekturen mutet der Bau in abgerundeter Dreiecksgestalt wie ein eigenwilliger Findling an.
Der Stadtbezirk Degerloch befindet sich weit im Süden Stuttgarts. Neben vielen weiteren Unternehmen hat sich hier auch der Bauherr der Firmenzentrale, die 1909 vor Ort als Zimmerei gegründete Gustav Epple Bauunternehmungen, niedergelassen. Und so ist es wenig überraschend, dass laut Architekturbüro der Bau auf eine enge Zusammenarbeit zurückzuführen ist. Hinter der monolithischen Außengestalt aus sechzig Zentimeter starken Leichtbetonwänden verbergen sich innen ausladende Büroräume.
Grund dafür ist die dreieckige Grundrissgestaltung des Baus, die auch aus dem gleichförmigen Grundstück resultiert: Seine drei Ecken sind durch die Platzierung von angeschrägten Treppenkernen ausgebildet. Außen setzen sich diese zusätzlich durch eine abgetreppte Betonstruktur und das sichtbar belassene, horizontale Schalungsbild ab. Dazwischen füllt eine Pfosten-Riegel-Fassade die verglaste Erdgeschosszone, die jedoch etwas zurückversetzt ist. So wirken die drei massiven Eckpunkte wie skulpturale Stützen, auf denen das Bauwerk aufliegt.
Insgesamt verteilen sich 8.639 Quadratmeter Bruttogrundfläche auf den grauen Dreigeschosser, der trotz gegensätzlicher Nutzung Parallelen in der Gestaltung des Kindergartens in Göppingen oder des Gemeindehauses in Ulm aufgreift. Um die Transparenz im Erdgeschoss zu ermöglichen, ist dieses bis auf die Treppenkerne offen gestaltet, während eine zusätzliche, gewundene Treppe das ebenfalls abgerundete Atrium inszeniert.
Auch in den Obergeschossen setzt das Architekturbüro auf offene Bürogrundrisse für die 115 Mitarbeitenden des Unternehmens: Nur wenige Nutzungsbereiche wie ein Fitnessstudio oder Konferenzräume sind abgetrennt. Bis zu den Treppenecken durchlaufenden Fensterbänder aus Holz und Aluminium gliedern die Fassade äußerlich. Im zweiten Obergeschoss erhielten die Räume der Geschäftsführung zudem einen direkten Zugang zu einer nach Süden hin ausgerichteten Dachterrasse, deren Fassadenöffnung die Fensterbänder imitiert. (sla)
Fotos: Max Leitner
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Dietrich W. Schmidt | 08.08.2023 13:32 UhrStuttgarter Findling
"Das Gewese um den Raum" ist nicht ärgerlich, sondern dringend notwendig in einer Zeit von ärmlichem Effizienzdenken und in einer sonst allzu sparsamen Stadt. Selbst einige Bauingenieure haben längst begriffen, dass ihr ererbtes Credo "mit geringstem Aufwand größtmöglichen Nutzen" zu erzielen, nur für die Technik gilt, nicht für deren Nutzer. Diese veraltete "cost-benefit-Logik" mag dem homo oeconomicus ausreichen, seine auf wirtschaftlichen Profit beschränkten Bedürfnisse zu befriedigen. Sensible und kreative Menschen hingegen brauchen darüber hinaus auch Reize für Fantasie und Empfinden; dazu gehören nicht monotone DIN-Einförmigkeit, sondern formale Abwechslung und räumliche Attraktivität mit Abweichungen vom "Normalen". Der französische Philosoph Georges Bataille nannte das eine "unökonomische Verausgabung". Diese Extravaganz leisten wir uns bei kurzlebiger Kleidermode, exotischen Urlaubsreisen und im Gourmet-Restaurant, Warum nicht ab und zu auch in der langlebigeren Baukunst?