Sie war schon immer das politischste unter den großen internationalen Filmfestivals – und so liegt der diesjährige Fokus der Berlinale klar auf den Ländern Iran und Ukraine. Einen Film mit diesem Schwerpunkt stellen wir vor, doch das reichhaltige Programm ist auch darüber hinaus durchaus brisant und sehenswert. Hier unsere Filmauswahl für die 73. Berlinale, die morgen startet und bis 26. Februar 2023 läuft.
Forum:
„W Ukrainie“
„In Ukraine“ bedeutet der Titel auf Deutsch, und genau dahin nimmt der Dokumentarfilm sein Publikum mit. Weit unter die Oberfläche der medienbeherrschenden Kriegsbilder tauchen die beiden Regisseure auf ihrer Reise von den westlichen Städten über Kyiv nach Charkiw: Sie erleben den Krieg gemeinsam mit den Ukrainer*innen. Vom Abendessen im U-Bahn-Bunker zu Friedhöfen, auf deren frischen Gräbern ukrainische Fahnen wehen – in subjektiven Bildern zeigt ihr Film die Wirklichkeit, in der das Land seit dem 24. Februar 2022 lebt.
R: Piotr Pawlus, Tomasz Wolski
Polen / Deutschland 2023
82 Minuten
OmeU
Samstag, 18. Februar, 18.15 Uhr im Delphi Filmpalast
Sonntag, 19. Februar, 16 Uhr im Cubix 7
Mittwoch, 22. Februar, 15.30 Uhr im fsk Kino
Samstag, 25. Februar, 10.30 Uhr im Zoo Palast 5
Sonntag, 26. Februar, 10.30 Uhr im Delphi Filmpalast
„Allensworth“
James Bennings Dokumentarfilm über das verlassene, kalifornische Allensworth nimmt sich Zeit. Ein ganzes Jahr durchschreiten seine Einstellungen, dabei sind jedem Monat fünf Minuten gewidmet. Zeit, die es braucht, um zu erinnern: 1908 wurde Allensworth als erste afroamerikanisch verwaltete Gemeinde des Bundesstaats gegründet. In die leerstehenden Gebäude sind Spuren einer Schwarzen Kulturgeschichte eingeschrieben, die die ruhigen Aufnahmen lesbar machen.
R: James Benning
USA 2022
65 Minuten
OV
Montag, 20. Februar, 21 Uhr im Delphi Fimpalast
Donnerstag, 23. Februar, 20 Uhr im Kino Arsenal 1
Freitag, 24. Februar, 20 Uhr in der Akademie der Künste
Samstag, 25. Februar, 14 Uhr im Werkstattkino@silent green
Berlinale Series:
„Arkitekten“
Die zum Kaffeekochen abgestellte Praktikantin eines Architekturbüros ist Protagonistin dieses norwegischen Vierteilers. In einer nicht allzu fernen Zukunft der perfekten Überwachung, der Wuchermieten und durchkommerzialisierten öffentlichen Räume hat Julie eine Idee: Wenn die Tiefgaragen in den autofreien Innenstädten sowieso leerstehen, könnten sie dann nicht ohne großen Materialbedarf zu Wohnraum umfunktioniert werden? Just wird ein lukratives Großprojekt zum Bau tausender Wohnungen in Oslos Stadtmitte ausgeschrieben... Schwarzhumorige Serie, die im Programmheft treffend „irgendwo zwischen ‚Schöne neue Welt‘ und ‚Schöner Wohnen‘“ eingeordnet wird.
R: Kerren Lumer-Klabbers
Norwegen 2023
insgesamt 75 Minuten
OmeU
Mittwoch, 22. Februar, 17 Uhr im Zoo Palast 2
Donnerstag, 23. Februar, 21 Uhr im IL Kino
Sonntag, 26. Februar, 13 Uhr im Cubix 5
Retrospektive:
„Touki Bouki“
Es ist 1973. Senegal ist seit etwa zehn Jahren von der französischen Kolonialmacht unabhängig und die Kulturhauptstadtpläne von Präsident Senghor verändern Dakar rapide. Ein junges Paar träumt davon, die Stadt zu verlassen und in Paris ein mondänes Leben zu führen. Mit einem rindshorngekrönten Moped begeben sie sich auf einen surrealen Beschaffungsstreifzug, um das nötige Geld für die Reise zusammenzubringen. Dabei werden Dakar und seine widersprüchliche Architektur zum wesentlichen Teil der Erzählung. Regisseur Mambéty zeichnet mit „Touki Bouki“ das Bild einer Stadt auf der Suche nach sich selbst: Es ist eine Stadt voller Kontraste, die sich zwischen Urbanität und Ländlichkeit bewegt, in der neben Baulärm, Autogehupe, Zebu-Rufen und Beschwörungs-Gesängen noch immer unterschwellig der Lockruf des von Josephine Baker beschworenen „Paradieses“ in der französischen Hauptstadt zu vernehmen ist.
R: Djibril Diop Mambéty
Senegal 1973
90 Minuten
OmeU
Samstag, 18. Februar, 13.30 Uhr im Cubix 3
Samstag, 25. Februar, 19 Uhr im Cubix 6
Forum Expanded:
„Home Invasion“
Die Türklingel hat über das vergangene Jahrhundert eine steile Karriere hingelegt. Vom verbindenden Element zwischen trautem Heim und Außenwelt hin zum modernen Überwachungssystem mit Kamera, Bewegungsmelder und der Kopplung mit Mobiltelefonen und Social Media. „Home Invasion“ verfolgt diese Genese durch das Prisma einer Fischaugenkamera: Was gelangt in unsere Häuser, wenn wir versuchen, alles was wir fürchten draußen zu lassen? Was macht der Generalverdacht gegenüber dem „Außen“ mit uns oder mit Nachbarschaften – und wer profitiert davon? Experimentalfilmer Graeme Arnfield montiert gefundenes, privates Überwachungsmaterial, Patentzeichnungen und Ausschnitte aus Horrorfilmen zu einer alptraumhaften Collage, die eigene Ängste voyeuristisch in den Blick nimmt.
R: Graeme Arnfield
Vereinigtes Königreich 2023
92 Minuten
OV
Mittwoch, 22. Februar, 20 Uhr im Kino Arsenal 1
Freitag, 24. Februar, 17 Uhr im Werkstattkino@silent green
Text und Auswahl: Kathrin Schömer
Zum Thema:
Der Kauf von Tickets ist jeweils drei Tage vor der Vorstellung möglich. Das gesamte Programm der 73. Berlinale gibt es auf berlinale.de
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ixamotto | 16.02.2023 10:57 Uhr@immer noch derselbe architekt
weites feld trifft auf enge stirn