Film ist das Medium der Moderne. Während der Entstehungszeit des Films um die vorletzte Jahrhundertwende wandelte sich auch die Raumauffassung, was Konsequenzen auf die Architektur als Raumbildnerin hatte. So begannen sich ihre Räume zu öffnen, teilweise sogar zu fließen. Mit der Entwicklung des Films bekam die gerade eben erst als raumbildende Kunst entdeckte Architektur eine gleichgesinnte Disziplin gegenübergestellt, die jedoch erst in all ihren Wahrnehmungsweisen erkundet werden sollte.
Über die Beziehung beider wurde viel reflektiert, von Künstlern, Theoretikern und Architekten, die allesamt versuchten, beide raumbildende Medien zu fassen und ihre Fähigkeiten zu beschreiben. Seit dem ist viel geforscht und publiziert worden. Das Interesse für die Beziehung der beiden Künste birgt ein immenses Potential an Forschungsansätzen. Die Publikation „Film | Architektur. Perspektiven des Kinos auf den Raum“ stellt zwölf solcher Ansätze vor.
Mit dem Satz „Am Anfang ist ein Strich.“ beginnt der Sammelband, den der in Luzern lehrende Kultur- und Medienwissenschaftler Johannes Binotto herausgegeben hat Das Zeichnen einer Linie durch den Raum stehe als Geste für den Anfang von Architektur, denn diese Linie zoniert den Raum. Dieser Strich findet sich bereits im Titel des Buches, wo er die beiden Disziplinen gegenüberstellt.
Als Vermittler zwischen den elf Texten des Sammelbands verstehen sich wiederum die Strichzeichnungen des Schweizer Künstlers Yves Netzhammer, die die Beiträgen laut Herausgeber miteinander verbinden sollen. Als Vorlage der Zeichnungen dienten die ihnen gegenübergestellten Zitate, von Filmemachern wie Sergej Eisenstein und Maya Deren sowie von Theoretikern wie Hugo Münsterberg, Gilles Deleuze oder Frieda Grafe, die Fundamente der Filmforschung legten.
Ein Architekt wird nicht zitiert. Das hat seinen Grund, denn in diesem Band wird Film untersucht, und zwar, wie der Film sich architektonisch verhält, aber auch „wie Architektur als Film gedacht werden kann.“ Es geht hier um das Wissen des Films über die Architektur. Thematisch ist das Buch in zwei Teile gegliedert: „Zum (Un-) Verhältnis von Film und Architektur“, mit Beiträgen die sich den der beiden Disziplinen gemeinsamen Faktoren widmen, wie Raum, Zeit und Bewegung. Der zweite Teil befasst sich mit Gebautem im Film: „On Location: Schauplätze einer Architektur des Films.“ Diese Gliederung ordnet kaum die Fülle der Forschungs- und Diskussionsfragen die sich – wenn auch in mancher Hinsicht eher skizzenhaft – auftun. Doch lassen sich diese als gelungene Ansätze lesen, die teilweise unbedingt weitergeführt werden sollten.
Text: Katrin Schamun
Film | Architektur. Perspektiven des Kinos auf den Raum
Johannes Binotto (Hg.)
Birkhäuser Verlag, Basel 2017
250 Seiten
ISBN 978-3-0356-1437-4
29, 90 Euro