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09.07.2015
Identitätskrise in Essex
Ferienhaus von FAT und Grayson Perry
Wenn alles erlaubt ist: Dieses Haus ist ein Unikat, eine Identitätskrise oder einfach nur ein gebauter postmoderner Witz – auf jeden Fall beweisen Architekt und Bauherr großen Humor. Hinter dem „House for Essex“ stehen das Londoner Studio FAT Architecture, das für dieses Projekt mit dem Künstler und Turner-Prize-Gewinner Grayson Perry zusammen gearbeitet hat. Perry ist auf der einen Seite bekannt für seine Keramikwerke, auf der anderen Seite für einen ausgeprägten Hang zur Travestie, vielleicht sogar Transvestie. „Wer bin ich“, fragt sich wahrscheinlich auch das Haus in der Grafschaft Essex.
Oder auch nicht. Schließlich ist es kein gewöhnliches Wohnhaus, sondern ein neues Ferienhaus in der kleinen verschlafenen Ortschaft Wrabness. Man mag sich vorstellen, dass die Herrschaften dort gar nicht allzu begeistert von dieser expressiven Wunderlandarchitektur sind, sich gar provoziert fühlen. Verhindern konnten sie es nicht. Living Architecture nennt sich die Organisation mit Alain de Botton als Kreativdirektor und Marc Robinson, der bis 2006 Projektmanager bei der Serpentine Gallery war, als Direktor. Sie wollen der zeitgenössischen Architektur eine Plattform im konservativen Großbritannien bieten und haben dafür in der Vergangenheit Architekten wie MVRDV, NORD Architecture oder Peter Zumthor mit dem Entwurf kleiner Ferienhäuser auf dem Land beauftragt. Auch das „House for Essex“ versteht sich als Experiment und das muss es in diesem Kontext auch sein. Traditionelle Ferienunterkünfte gibt es schließlich zur Genüge.
Der Neubau von FAT – das Akronym steht für Fashion Architecture Taste – führt diese Reihe jetzt mit einem lauten Paukenschlag fort. Goldene Giebeldächer mit Aluminiumguss-Skulpturen, eine mit kunstvollen Keramikfliesen verzierte Fassade und barocke Elemente innen und außen – mehr hätte man dieses Haus kaum schmücken können. Aber: Alles hat seinen Platz, folgt einem System. Das Gebäude setzt sich aus vier ineinander geschobenen Häusern zusammen, die wie Orgelpfeifen absteigend kleiner werden. Das erinnert an ein Spiel oder die russischen Matroschka-Puppen. Und auf den 2.000 Keramikfliesen der Fassade in einem vornehm englischen Grün und einem strahlenden Weiß begegnet man dem fiktiven Charakter Julie Cope. Julie ist die Hausherrin dieses „Wallfahrts-Ortes“, eine Idee von Grayson Perry und eine Kunstfigur – ebenso wie das Gebäude.
Es ist das letzte Projekt, an dem die Architekten Sean Griffiths, Charles Holland und Sam Jacob unter dem Namen FAT zusammengearbeitet haben, das Studio hat sich 2013 aufgelöst. Charles Holland beschreibt das Ferienhaus als „radikales Statement zur Architektur und ihren Möglichkeiten zum Geschichtenerzählen, zur Kommunikation“. Wahrscheinlich konfrontiert das „House for Essex“ die Briten mit den eigenen Ängsten und Sorgen – mit ihrer nationalen Identitätskrise. Das passt. (jk)
Im Mai 2015 fertiggestellt, kann man seit gestern Termine für die zwei Schlafzimmer im „House for Essex“ auf der Seite www.living-architecture.co.uk für die Saison von August bis Oktober vorauswählen.
Fotos: © Jack Hobhouse
Oder auch nicht. Schließlich ist es kein gewöhnliches Wohnhaus, sondern ein neues Ferienhaus in der kleinen verschlafenen Ortschaft Wrabness. Man mag sich vorstellen, dass die Herrschaften dort gar nicht allzu begeistert von dieser expressiven Wunderlandarchitektur sind, sich gar provoziert fühlen. Verhindern konnten sie es nicht. Living Architecture nennt sich die Organisation mit Alain de Botton als Kreativdirektor und Marc Robinson, der bis 2006 Projektmanager bei der Serpentine Gallery war, als Direktor. Sie wollen der zeitgenössischen Architektur eine Plattform im konservativen Großbritannien bieten und haben dafür in der Vergangenheit Architekten wie MVRDV, NORD Architecture oder Peter Zumthor mit dem Entwurf kleiner Ferienhäuser auf dem Land beauftragt. Auch das „House for Essex“ versteht sich als Experiment und das muss es in diesem Kontext auch sein. Traditionelle Ferienunterkünfte gibt es schließlich zur Genüge.
Der Neubau von FAT – das Akronym steht für Fashion Architecture Taste – führt diese Reihe jetzt mit einem lauten Paukenschlag fort. Goldene Giebeldächer mit Aluminiumguss-Skulpturen, eine mit kunstvollen Keramikfliesen verzierte Fassade und barocke Elemente innen und außen – mehr hätte man dieses Haus kaum schmücken können. Aber: Alles hat seinen Platz, folgt einem System. Das Gebäude setzt sich aus vier ineinander geschobenen Häusern zusammen, die wie Orgelpfeifen absteigend kleiner werden. Das erinnert an ein Spiel oder die russischen Matroschka-Puppen. Und auf den 2.000 Keramikfliesen der Fassade in einem vornehm englischen Grün und einem strahlenden Weiß begegnet man dem fiktiven Charakter Julie Cope. Julie ist die Hausherrin dieses „Wallfahrts-Ortes“, eine Idee von Grayson Perry und eine Kunstfigur – ebenso wie das Gebäude.
Es ist das letzte Projekt, an dem die Architekten Sean Griffiths, Charles Holland und Sam Jacob unter dem Namen FAT zusammengearbeitet haben, das Studio hat sich 2013 aufgelöst. Charles Holland beschreibt das Ferienhaus als „radikales Statement zur Architektur und ihren Möglichkeiten zum Geschichtenerzählen, zur Kommunikation“. Wahrscheinlich konfrontiert das „House for Essex“ die Briten mit den eigenen Ängsten und Sorgen – mit ihrer nationalen Identitätskrise. Das passt. (jk)
Im Mai 2015 fertiggestellt, kann man seit gestern Termine für die zwei Schlafzimmer im „House for Essex“ auf der Seite www.living-architecture.co.uk für die Saison von August bis Oktober vorauswählen.
Fotos: © Jack Hobhouse
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