Fährüberfahrten zählen sicherlich zu den aufregendsten Formen des Reisens. Die Atmosphäre des Hafens, das Einschiffen, das Ablegen der Fähre und die Fahrt aufs offene Meer sind geradezu klassische Reiseerinnerungen. Gerade die Fahrt von Stockholm in das nördliche Skandinavien gilt auf Grund der Schärenlandschaft vor der Stadt als besonders beeindruckend. In diesem Setting fungieren Fährterminals heutzutage nicht mehr nur als funktionale Schnittstellen zwischen Land und Wasser, sondern ganz entschieden auch als städtebauliche Elemente, die einer urbanen Reprogrammierung von Hafenarealen und ihrer engen Anbindung an die Stadt dienen. Das kürzlich eröffnete Fährterminal in Stockholm ist vor diesem Hintergrund zu verstehen.
Das dänische Architekturbüro C.F. Møller – das 2010 den internationalen Wettbewerb gewonnen hatte – organisierte den lang gestreckten und vier Geschosse hohen Baukörper als Ineinander mehrerer Ebenen, die direkt an den städtischen Raum angebunden sind. Das bestehende Pier wurde durch Landaufschüttung erheblich erweitert, so dass fünf Anlegestellen für die Schiffe entstanden, von denen vier durch lange, geschlossene Brückenbauten direkt mit dem Terminal verbunden sind. Zwischen Schiffen und Terminal liegen riesige Parkplatz- und Verkehrsflächen für die Logistik der LKWs und PKWs, die eine solche Anlage mit sich bringt. Die Architekten reagierten auf diese Situation, indem sie das Terminal als kühle und rationale Struktur entwarfen, die sich über den rauen Asphaltflächen erhebt. Sichtbeton im Sockelbereich, graue Plattenverkleidung, strenge Fensterreihungen und die deutlich sichtbaren Stützen der Konstruktion unterstreichen diesen Eindruck.
Für die Passagiere und Passanten, die sich dem Terminal von der Stadt her nähern, stellt sich die Situation ganz anders dar. Die Passagiere werden direkt in die weiten, hellen Innenräume des Hauses geführt, das durch breite Fensterflächen natürliches Licht erhält und Ausblicke gewährt. Mindestens genau so wichtig wie der Reisebetrieb im Haus ist die Aktivierung der näheren Umgebung und des Dachbereichs als öffentlicher Raum. Explizit soll das Fährterminal als eine Verlängerung des städtischen Raums in den Funktionsbereich des Hafens fungieren. Breite Rampen und Treppen erschließen die mit einheimischen Gräsern und Stauden bepflanzte Dachlandschaft des Gebäudes. Verantwortlich für die Außenraumgestaltung war das Stockholmer Landschaftsarchitekturbüro Nivå. Durch die Interpretation des Terminals als öffentlicher Erholungsraum spielt der Neubau eine entscheidende Rolle für die städtebauliche Entwicklung der umliegenden Hafenanlagen, die in den nächsten Jahren realisiert werden soll. (gh)
Fotos: Adam Mørk, Per-Erik Adamsson
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corinna schlaumeyer | 18.11.2016 16:57 Uhrarchitecture meets landsacpe
Sehr interessanter Beitrag! Schön, dass auch mal die Landschaftsarchitekten genannt werden! Bravo!