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17.10.2024
Schiffsrumpf am roten Pier
Fährhafen und Park in Mexiko von Colectivo C733
Im Fischerdorf San Blas an der mexikanischen Westküste hat vor zwei Jahren ein fast 100 Meter langes Holzschiff angelegt. Dorthin bugsiert hat es das Colectivo C733 – keine Truppe erfahrener Seeleute, sondern ein Planungskollektiv aus Mexiko-Stadt. Denn tatsächlich handelt es sich bei der langgestreckten Struktur um eine 1.700 Quadratmeter große, offene Halle für eine neue Fähranlegestelle.
Der Hintergrund dieses Projekts findet sich auf den Marias-Inseln, die etwa drei Seestunden entfernt von San Blas im Pazifik liegen. Noch bis 2010 wurde hier ein Hochsicherheitsgefängnis betrieben. 2021 entschied die mexikanische Regierung, die Inselgruppe als touristisches Ziel umzunutzen und -gestalten. San Blas wurde zum neuen Fährhafen auserkoren, von wo aus die Besucher*innen dorthin verschifft werden. Zudem sollten angrenzend ein öffentlicher Park und Infrastrukturen für Gewerbeflächen und Handwerksmärkte entstehen.
Ganz offensichtlich ließen sich Colectivo C733 vom historischen und ökologischen Erbe der Küstengegend im Bundestaat Nayarita inspirieren. So setzt sich der 14.000 Quadratmeter große Park aus linearen Elementen zusammen, die mit Zitaten der mangrovenreichen Umgebung angefüllt sind. Gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekturbüro Taller de Paisaje Hugo Sánchez (Mexiko-Stadt) wurden etwa Wassergärten mit Binsen und Kieselstein oder wellenartig geformte Skateparcours angelegt. Im Kontrast zur Vegetation ist die gesamte Fläche von Terrakotta- und Rottönen geprägt, die durch gefärbten Beton und vielfach verwendeten Lehm entstehen. Dieser findet sich nicht nur in den kleinen, ins Streifenmuster eingepassten Verkaufshütten aus Ziegel wieder, sondern auch in Form von ausgebreitetem Ziegelschutt.
Alle Streifen des Parks führen zum oben erwähnten Schiff, genauer der Halle, die wie ein auf den Kopf gestellter Schiffsrumpf wirkt. Die Planer*innen ließen ein langes Gerippe aus gewölbten Stahl-Kabelträgern aufstellen, die oben mit zwei Lagen Eukalyptusholz bekleidet wurden, wobei der First als durchgehender Lichtstreifen offen bleibt. Darunter positionierten sie einfache Ziegelvolumen, in denen sich Nebenräume befinden und die Halle gliedern. Und das war es auch schon. Soll heißen: Diese simple Struktur ermöglicht nicht nur die flexible Nutzung als Wartebereich für die Fähre oder für Sport und Veranstaltungen, sondern gibt alldem einen räumlich eindrucksvollen Rahmen. In der Baunetzwoche#648 sprach Architektin Gabriela Carrillo, Mitgründern von Colectivo C733, von ihrer Faszination, kraftvollen Konstruktionen den Anschein von Leichtigkeit zu verleihen – das ist hier nicht zu übersehen.
Das Projekt Muelle de San Blas ist eingebettet in das „Urban Improvement Program“, ein landesweites Planungsprogramm des Sekretariats für Agrar-, Territorial- und Stadtentwicklung (Sedatu). Seit 2019 hat das Ministerium damit um die tausend Infrastrukturprojekte in oftmals vernachlässigten Orten quer durch Mexiko vorangetrieben. Colectivo C733 gründete sich überhaupt erst aufgrund eines von Sedatu veranlassten Wettbewerbs und übernahm in der Folge ganze 35 Aufträge. Unter anderem gehört auch der Umbau des alten Zollgebäudes von San Blas dazu, keine fünf Minuten Fußweg vom Fährpark entfernt. (mh)
Fotos: Rafael Gamo, Albers Studio
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