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29.10.2018
Revolutionäre Senfarchitektur
Fabrik in Belgien von Dhooge + Meganck
Aus Belgien ist man ja Skurriles gewohnt, aber die vor wenigen Monaten eröffnete Fabrikanlage von Dhooge & Meganck architects in Oudenaarde, setzt doch nochmal einen ganz eigenen Maßstab. Dabei war die Bauaufgabe ganz simpel: Das junge Genter Büro, offiziell erst 2015 gegründet, sollte für den Hersteller Camp’s eine Produktionsstätte für Senf und eingelegtes Gemüse in einem Gewerbegebiet der ostflandrischen Kleinstadt errichten.
Die architektonische Lösung des Duos David Dhooge und Saar Meganck geistert nicht umsonst seit Monaten durch die Presse. Die Produktionsstätte gleicht eher einem kleinen Tempel als einer Fabrik, denn die Architekten setzten bei ihrem Projekt auf einen schweren und streng symmetrisch geordneten Baukörper, reduziert auf ein Minimum an klassischen Architekturformen. Die geradezu kargen Fassaden sind fast fensterlos und bestehen aus präzise rhythmisierten Betonelementen unterschiedlichen Formats. Vor dem Haus liegt ein auffälliger, kreisrunder Vorplatz.
In ihrer Mitteilung zum Projekt schaffen es die Architekten, ihre gestalterischen Entscheidungen streng funktional zu begründen: Der kreisrunde Vorplatz entspricht genau dem Wendekreis der LKWs, im Turm befinden sich die beiden großen Silos für die Senfkörner, hinter der fensterlosen Fassade liegen die sensiblen Produktionsräume, und die doppelläufige Treppe spiegelt die Trennung von Hygiene- und regulären Räumen wider. Das alles mag richtig sein, doch die Pointe ist natürlich der explizite Rückgriff der jungen Belgier auf die französische Revolutionsarchitektur um 1800. Die Senffabrik erinnert nicht nur an die stereometrischen Utopien Étienne-Louis Boullées, sondern lässt an die Saline in Arc-et-Senans von Claude-Nicolas Ledoux denken. Auch dort ging es um die Nobilitierung einer profanen Produktionsstätte durch einen abstrahierten und reduzierten Klassizismus, um Kreisform, Axialität und Portal.
In einer Zeit, in der einfache Produkte wie Senf und Essiggurke zu kulturellen Artefakten aufgeladen werden, ist es vermutlich eine logische Entwicklung, dass die Produktionsorte zu manierierten Objekten mit geradezu sakraler Aura werden. Im Gegensatz dazu versucht die Massenindustrie das Image ihrer Produkte durch die Inszenierung irgendeiner Authentizität mit Holzbottichen und alten Steinmühlen aufzubessern. (gh)
Fotos: Frederik Vercruysse, Johnny Umans
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Kommentare:
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Das Portal in der Ostfassade fungiert als Eingang und Anlieferung.
Dhooge & Meganck setzten nur in die Westfassade der Senffabrik Fenster.
Man sieht es den Fotos nicht an, aber die neue Produktionsstätte von Camp’s in Oudenaarde liegt in einem schnöden Gewerbegebiet.
Hinter dem Rundfenster liegen die beiden Silos mit dem Rohstoff, aus dem alles entsteht: Senfkörner.
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