Umbau ist zur Zeit in aller Munde. Während in Berlin aktuell noch die Ausstellung „The Great Repair“ in der Akademie der Künste zu besichtigen ist, widmen sich auch immer mehr Publikationen – wie vor allem Umbaukultur aus dem Jahr 2020 – diesem Thema. Auch im Flämischen Architekturinstitut in Antwerpen ist noch bis März 2024 eine Ausstellung samt lesenswertem Buch namens As Found. Experiments in Preservation zu diesem Thema zu sehen.
Buch und Ausstellung sind der Versuch, dem Umbau einen theoretischen Unterbau zu geben. Es gebe, so schreiben die drei Herausgeberinnen Sofie De Caigny, Hülya Ertas und Bie Plevoets, im Umbau keinen einzelnen Ansatz, der für alles passt – „there is no one-size-fits-all approach“. Jedes Gebäude sei so individuell wie die Erfordernisse seines Umbaus. Es gebe jedoch vergleichbare Strategien.
Unter „Ensemble“ verstehen De Caigny, Ertas und Plevoets eine enge Verwebung von alt und neu. Als „Void“ bezeichnen sie eine architektonische Strategie des Wegschneidens und Freiräumens. „Reconfiguration“ bezeichnet ein Vorgehen, das die vorhandenen Teile neu sortiert oder deren Ordnung grundlegend verändert, ohne viel Neues hinzuzufügen. „Inside Out“ ist ein Neubau hinter einer erhaltenen, historischen Fassade, „Traces“ wiederum das hingebungsvolle Bewahren von Gebrauchsspuren. Unter „Mirror“ versammeln sie das Kopieren oder Zitieren von bekannten Vorbildern und unter „Nuance“ schließlich eine Strategie minimaler Veränderungen, die trotzdem zu maximalen Veränderungen führen können.
Da es sich um Ausstellung und Publikation des Flämischen Architekturinstituts handelt, ist es verzeihlich, dass jede der sieben Strategien im Buch anhand eines aktuellen flämischen Projektes erläutert wird. Zumal diese von hoher Qualität sind, darunter der Umbau des Predikheren-Klosters in Mechelen zur Stadtbibliothek durch Korteknie Stuhlmacher Architecten, die Sanierung von Henry van de Veldes „Boekentoren“ in Gent durch Robbrecht en Daem, der Umbau des gewaltigen Messe-Zentrums in Charleroi durch Jan De Vylder, Inge Vinck und AgwA architecten oder der noch laufende Umbau des Rathauses von Mortsel durch Eagles of Architecture.
Diese sieben Projekte bilden den Kern der Ausstellung. Im Buch werden sie allerdings durch „visual essays“ entscheidend ergänzt, in denen internationale und historische Positionen zur ausgewählten Strategie im Bild gezeigt werden. Hinzu kommt je ein weiterführender Essay. In diesen leuchten dann historische Referenzpunkte und relevante Positionen auf, von Alison und Peter Smithson über Venturi und Scott Brown bis zu Walter Benjamin, Giancarlo De Carlo, Lacaton & Vassal, Richard Sennett, Palladio oder H Arquitectes. Die Essays sind freilich sehr kurz, eine gründliche Vertiefung ist nicht zu erwarten.
Dafür bleibt das Buch insgesamt angenehm übersichtlich im Umfang. Auch von Format und Gewicht her taugt es absolut, um im öffentlichen Nahverkehr mitgenommen und unterwegs gelesen zu werden. Es ist genau diese flotte Kombination aus kurzem Essay und detaillierter Fallstudie, die das Buch so lesenswert macht.
Einzig: Die Projekte hätten als Fallstudien durchaus etwas ausführlicher präsentiert werden können. Durch das fast vollständige Fehlen von Plänen und kaum eine ausreichende Darstellung des Zustands der Gebäude vor dem Umbau, ist ein Einschätzen des tatsächlichen Eingriffs fast ausschließlich durch die Texte möglich. Hier wäre ein bisschen mehr noch schöner gewesen. Dafür gibt es zum Schluss noch das Protokoll einer interessanten Diskussion, bei der die Herausgeberinnen ihre Thesen zur Diskussion stellen, da sie selbst ihre Theorie nicht als abgeschlossenes Werk, sondern als Debattenbeitrag verstehen. Und als solcher funktioniert auch dieses Buch hervorragend.
Text: Florian Heilmeyer
As Found. Experiments in Preservation
Sofie De Caigny, Hülya Ertas, Bie Plevoets (Hg.)
Gestaltung: Bureau Wolewinski
174 Seiten
Flanders Architecture Institute, Antwerpen 2023
ISBN 978-9492567321
34,50 Euro