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15.10.2018
Bauen mit künstlichem Schnee
Experimenteller Pavillon von Karola Dierichs und Achim Menges in Stuttgart
Kleine graue Kügelchen, nur wenige Millimeter groß. Zu Tausenden, ach, Millionen, lagern sie in großen Boxen. Unscheinbare Kügelchen mit einiger Wirkung. Das an der Universität Stuttgart entwickelte Granulat bildet die Basis für circa 70.000 Hexapoden und rund 50.000 Dekapoden. Dreidimensionale, sternförmige Strukturen mit je sechs beziehungsweise zehn strahlenförmigen Enden – Grundlage für eine raumgreifende Konstruktion: den ICD Aggregat Pavillon 2018.
Konzipiert wurde er unter der Leitung von Karola Dierichs und Achim Menges am Institut für Computational Design and Construction der Universität Stuttgart. Ähnlich experimentelle Strukturen hat das Institut bereits in London, Stuttgart und Weil am Rhein gezeigt. Vor wenigen Tagen wurde es von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als erstes Projekt aus dem Bereich Architektur überhaupt zur Förderung als Exzellenzcluster ausgewählt.
Zehn Jahre Forschung an künstlichen granularen Materialien in der Architektur stecken im ICD Aggregat Pavillon 2018. Ohne Leim, ohne Schraube, ohne Mörtel. Es ist, so die Aussage der Entwicklerinnen, der erste vollständig umschlossene architektonische Raum, der aus einem spezifisch dafür entworfenen Granulat besteht. Mit der Besonderheit, dass die Partikel nur in losem Reibkontakt stehen. Etwa 120.000 nicht-konvexe Teile und noch einmal 725 Kugeln. 105 Kubikmeter Raum nimmt der im Sommer aufgestellte Pavillon ein, bringt 2500 Kilogramm auf die Waage.
Die Konstruktion aus recyceltem Kunststoff untersucht Raumstrukturen aus granularen Materialien, also Materialien, die aus eine großen Zahl von Einzelteilen bestehen, aber nicht miteinander verbunden sind. So wie Sand, Kies oder Schnee – nur eben künstlich hergestellt und entsprechend konfiguriert. Der Vorteil: granulatartige Baumaterialien bilden, indem sie sich verkeilen, stabile und selbsttragende Konstruktionen, sind aber wandel- und wiederverwendbar wie Flüssigkeiten.
Hergestellt wurden die Hexa- und Dekapoden im Spritzgussverfahren von der schwäbischen Firma Wilhelm Weber. Die Kugeln sind industriell vorgefertigte Pneus: aufgeblasene, elastische Kugeln. Konstruiert wurde der Pavillon – per Seilroboter auf einer Fläche von neun mal zehn Metern – in der Lagerhalle, die kurzerhand zur Produktionshalle wurde. Auch weil großformatige, granulare Strukturen an Ort und Stelle realisiert werden müssen. Dafür sind neue Formen von De- und Restabilisierung, von Wiederverwendung und temporärer Wandelbarkeit in der Architektur aber auch kein Problem mehr. Und genau das soll der Pavillon zeigen. (kat)
Fotos: ICD, Universität Stuttgart
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Aus 120.000 sternförmigen Einzelteilen und 725 Kugeln besteht der Pavillon.
Die 105 Kubikmeter große Konstruktion wiegt stolze 2500 Kilogramm.
Mit der Struktur aus recyceltem Kunststoff wird Bauen mit granularen Materialien erforscht.
Weil die sternförmigen Elemente nur ineinander verkeilt sind, ist der Pavillon wiederverwendbar.
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